Pirckheimer-Blog

Till Schröder

Do, 04.05.2023

Das Domizil der Pirckheimer-Gesellschaft in Halle 2 (Stand E503) der Leipziger Buchmesse. | © R. Wege
Klaus Süß signiert das Roll-up am Stand der Pirckheimer-Gesellschaft, das seinen Holzschnitt "Schwestern" als Motiv hat. | © Katrin Aepler
Die Brandenburger "Bücherkinder" lesen aus ihrem neuen Buch "Die Farben der Kindheit". | © R. Wege
Herausgeber Jens-Fietje Dwars (r.) und Vorstand Matthias Haberzettl stellen auf der Leipziger Buchmesse die zweite Grafikmappe der "Edition Pirckheimer" vor. Im Bild der Holzschnitt "Letzter Tanz" von Karl-Georg Hirsch. | © R. Wege

Nach der Buchmesse: Die Lust auf schöne Bücher ist ungebrochen

Dem Interesse an schönen Büchern und dem Bedürfnis, mit anderen Sammlern in einen Austausch zu kommen, haben drei Jahre ohne Leipziger Buchmesse nichts anhaben können“, so das Fazit von Till Schröder, stellvertretender Vorsitzender der Pirckheimer-Gesellschaft. Im Gegenteil: Nach der coronabedingten Pause habe man am Stand eher das Gefühl gehabt, dass die Besucher es kaum erwarten konnten, in Leipzig endlich wieder in die Welt der Bücher und der Literatur eintauchen zu können. Beweis sind für ihn nicht nur die vielen Gespräche mit Freunden von Buch und Grafik, sondern vor allem das halbe Dutzend Buchliebhaber, die direkt am Stand der Pirckheimer in den Verein eingetreten sind. Außerdem könne es gut sein, dass noch der eine oder andere Interessent in den folgenden Tagen nach dem Besuch am Messestand zu den Pirckheimern dazustoßen wird. Ein Pirckheimer-Freund, der Künstler Klaus Süß, nahm die Messe zum Anlass, einen Roll-Up der Gesellschaft, auf dem eines seiner Motive prangt, nachträglich zu signieren.

Vier Tage lang haben sich in Halle 2 die Pirckheimer*innen Katrin Aepler, Thilo Berkenbusch, Matthias Haberzettl, Matthias Koloßa, Jutta Osterhof, Hans Rabenbauer und Till Schröder den „Standdienst“ geteilt. Vor allem die Marginalien seien auf Interesse gestoßen, so Matthias Haberzettl. Viele der Besucher seien überrascht gewesen, dass es eine Zeitschrift gibt, die sich explizit den Themen Buchkunst und Bibliophilie verschrieben hat. Für einige jüngere Besucher war es ein Aha!-Erlebnis: „Dass es dieses Wort Bibliophilie gibt, habe ich hier auf der Messe zum ersten Mal gehört“, sagte eine Schülerin erstaunt. Nicht nur etliche Exemplare der Marginalien, auch Jahresgaben oder andere Publikationen der Pirckheimer-Gesellschaft haben nach der Messe auf der Leipziger Neuen Messe vom 27. bis 30.04. ein neues Zuhause gefunden.

Mit zwei Veranstaltungen am Messesonnabend haben sich die Pirckheimer am Lesefest Leipzig liest beteiligt. Zunächst waren am Vormittag die Bücherkinder Brandenburg auf Einladung der Pirckheimer angereist, um ihr jüngstes Buch Die Farben der Kindheit vorzustellen. Dafür haben sich die Bücherkinder ausführlich mit der Kindheit der Schriftsteller Jurek Becker, Franz Fühmann, Günter Grass und Christa Wolf während der Zeit des Nationalsozialismus befasst und dazu literarisch und bildkünstlerisch artikuliert. Für das im bibliophilen Sinne wichtige Zusammenspiel von Text und Abbild konnten sie mit Klaus Süß, Moritz Götze, Rainer Ehrt, Sven Großkreutz und Katrin Stangl fünf bekannte Grafiker gewinnen, je eine Arbeit zu diesem Buch zu schaffen. Die Kinder lasen aus ihren Texten, und „Büchervater“ Armin Schubert zeigte dazu die jeweiligen Grafiken der Kinder beziehungsweise der Künstler. Abgerundet wurde die Lesung mit einem Gespräch zwischen Elżbieta Palasz aus Gdańsk, die ein Buch über die Danziger Kindheit von Günter Grass verfasste, und Thomas Weiler, der dieses Buch unter dem Titel Bucheckern, Bernstein, Brausepulver ins Deutsche übersetzt hat. Das Interesse an der Veranstaltung war groß. Die Besucher saßen dichtgedrängt im Lesepavillon und standen auch am Eingang, um bei der Lesung dabei zu sein. Zum Schluss gab es nicht nur Applaus für die Bücherkinder, sondern auch Buchgeschenke, die Matthias Haberzettl, Vorstand der Pirckheimer-Gesellschaft, überreichte.

Am Nachmittag um 15 Uhr ging es für die Pirckheimer zum Forum Sachbuch, um dort die zweite Grafikmappe der Edition Pirckheimer vorzustellen. Das übernahm gemeinsam mit den Vorständen Matthias Haberzettl und Till Schröder Jens-Fietje Dwars, der bereits die erste Mappe im Auftrag der Pirckheimer-Gesellschaft herausgegeben hatte. Mit Sachkenntnis und sehr unterhaltsam stellte Dwars die sieben Blätter der Edition vor. Dabei ging es sowohl um die künstlerischen Techniken wie Holzschnitt, Radierung, Algrafie, Aussprengtechnik oder Ätzradierung, als auch um die Künstlerinnen und Künstler selbst. Dabei konnte er auf seine eigenen Besuche in den Ateliers der Künstler zurückgreifen, die er zudem als Buch in der Reihe Edition Ornament unter dem Titel Ateliergespräche herausgegeben und direkt von der Druckerei zur Messe mitgebracht hat. Und nach vier abwechslungsreichen Messetagen sind sich die Pirckheimer einig, auch im kommenden Jahr auf der Leipziger Buchmesse den Gedanken der Bibliophilie in die Welt tragen zu wollen.

(Ralf Wege)

Mi, 03.05.2023

Großes Interesse für einen großen Weißenseer: Vor der Premiere von Kerem Saltuks Klemke-Porträt.
Tochter Christine Klemke, Enkelin Friederike Klemke.
Andrang bei Till Kaposty-Bliss am "Magazin"-Stand.
Mit dabei: Jutta Osterhof und Matthias Haberzettl. | © für alle Fotos: Kerem Saltuk/Gregor W. Klemke

Filmpremiere in Weissensee: Werner Klemke im Porträt

Berlin-Weißensee: Nicht nur der Ort, der einer Fernsehserie den Namen gab, Sitz einer überaus traditionsreichen Kunsthochschule, oder neuester Hotspot im Karussell Berliner Immobilien-Projekte, sondern auch Geburts- und Lebensort eines besonderen Pirckheimers: Werner Klemke. Der bekannte Illustrator, Buchgestalter, Gebrauchsgrafiker und Professor gehörte zu den fünf Mitgliedern des Gründungskomitees der Pirckheimer-Gesellschaft im Jahr 1956. Unser Signet verdanken wir ihm. Und nun, nachdem wir vor einigen Jahren durch den Treffpunkt Erasmus einiges über seine klandestine und später von ihm nie erwähnte Fälscherarbeit zur Rettung von Juden in den Niederlanden im Zweiten Weltkrieg erfuhren, gibt es einen zweiten Film, Ein Weißenseer Künstler: Werner Klemke, über den 1994 verstorbenen Meister. Er feierte am 21. April im Bildungs- und Kulturzentrum Peter Edel in eben jenem Weißensee Premiere.

Dem türkischen Fotograf und Dokumentarfilmer Kerem Saltuk gelingt ein sehr persönlicher Blick auf Klemke. Saltuks kleiner Sohn geht in die Malschule von Klemke-Tochter Christine – immer noch in der alten Wohnung von Werner Klemke. Für den Mann aus Izmir, der in Kanada Film studierte und über Stuttgart mit seiner deutschen Frau nach Berlin-Weißensee zog, ein bis dahin vollkommen unbekannter Name. Eine kurze Google-Recherche führt geradewegs in eine veritable Sammelleidenschaft und die filmische Auseinandersetzung mit dem Künstler. Aus vielen Interviews, vor allem mit Mitgliedern der Familie, aber auch ehemaligen Studierenden, Hochschul-Kollegen und Sammlern wie Matthias Haberzettl entstand über zwei Jahre eine Annäherung aus Anekdoten, bildlicher Überlieferung (auch mit Super-8-Filmen der Familie) und vielen Büchern, in die parallel zum Erzählten hineingeblättert wurde. 

Im völlig ausverkauften Saal des restaurierten ehemaligen Kulturhauses klatschten die 300 Zuschauer begeistert über Amüsantes: Werner Klemke lässt sich am Telefon von seinen Kindern bei Bedarf vor unliebsamen Auftraggebern verleugnen, schmuggelt bei einem Empfang unter die erwünschten Orden am Revers eine Anstecknadel in Form einer Möwe mit dem Schriftzug „Gruß aus Hiddensee“; ja, und er verbietet den Kindern den Umgang mit seinen „guten Pinseln“, was die pflichtgemäß ignorierten … Auch das Leben im Schatten des berühmten Vaters thematisierten die Kinder, die Arbeitslast des Vaters, der zu keinem Auftrag Nein sagen konnte – sicherlich auch ein Faktor für die immense Präsenz von Klemke in der visuellen Umwelt der DDR von Briefmarke über Schulbücher bis zur Fernsehgrafik. Am Klemke-Büchertisch des Pirckheimers Thomas Döring konnten sich die Zuschauer nach dem Film selbst ein Bild machen. Viele Klassiker fanden ein neues Heim – auch ein paar Marginalien mit Werner Klemkes Willibald Pirckheimer auf dem Cover.

Saltuk zeichnet verschiedene Einflüsse Klemkes nach, besonders dessen Wertschätzung der Renaissance und den Fokus auf handwerkliche Präzision. Doch was bleibt, ist nicht allein ein Überblick über das Werk oder die kulturpolitischen Spuren Klemkes, sondern ein beeindruckender Blick auf die Person Werner Klemke – weltoffen, begeisternd, humorvoll, unterstützend. Man kann nur hoffen, dass der Film einen Vertrieb oder eine DVD-Fassung finden wird. Am 25. Mai wird er aufgrund großer Nachfrage noch einmal im Zentrum gezeigt (19 Uhr, Eintritt: 5 Euro). 

(Till Schröder)

Fr, 21.04.2023

In Heft 248 der "Marginalien" finden sich wieder eine Reihe Aufsätze und Rezensionen zum Doppelthema "Bibliophilie und Grafik". Die exklusive Beilage zum Heft schuf der Grafiker und Kupferstecher Wolfgang Böttcher aus Leipzig, der zudem in der Ausgabe des Journals eine Würdigung zum 75. Geburtstag erhält.

Marginalien 248 erschienen

Das 248. Heft der Marginalien, der Zeitschrift der Pirckheimer-Gesellschaft, enthält wieder eine illustre Runde Artikel, Rezensionen und Meldungen zu den innersten Dingen, die das Herz des bibliophilen Sammlers bewegen. Und auch vermeintlich Exotisches, das doch ganz entschieden zum Herzens-Gebiet gehört: So unterhält sich Chefredakteur Till Schröder mit Gerhard Seibold über Wappenbriefe, und Astrit Schmidt-Burkhardt stellt die Chronologiemaschine von 1753 vor. Exkurse gibt es zu den Druckwerkstätten Europas, zu Esteban Fekete, Ingeborg Baier-Fraenger, Dieter Goltzsche sowie zum 30. Geburtstag des Palmbaum, der seit 2005 unter der Ägide von Pirckheimer-Freund Jens-Fietje Dwars erscheint. Manfred Krause würdigt das Christian Schad Museum in Aschaffenburg und Ekkehard Schulreich Wolfgang Böttcher, der auch die Grafik beitrug, zum 75. Die Typografische Beilage enthält mit Casco in Kanda eine exklusive Erzählung von Klaus Modick. Für Mitglieder lag der Sendung auch die Jahresgabe der Gesellschaft bei, eine Anthologie neuer Texte und Sichten zum Werk von Novalis, erschienen im Mitteldeutschen Verlag. Und schließlich wird eines großen Pirckheimers gedacht: Eckehart SchumacherGebler.

(André Schinkel)

Mi, 29.03.2023

Während der Lesung der Bücherkinder in der Aula des Domgymnasiums. | © R. Wege
Verdienter Mentor der Bücherkinder Brandenburg: Armin Schubert in Aktion. | © R. Wege
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Pirckheimer-Gesellschaft, Till Schröder (2. v. r.), gratulierte den Bücherkindern zu ihrem jüngsten Buch "Die Farben der Kindheit". | © R. Wege

Bücherkinder starten wieder

Lesung aus dem jüngsten Buch „Die Farben der Kindheit“ 

Nach langer coronabedingter Pause war den Bücherkindern Brandenburg mit ihrem Mentor Armin Schubert während der Lesung am 18. März anzumerken, dass sie voller Vorfreude auf den Nachmittag vor Publikum waren, aber genauso auch aufgeregt, ob alles klappen wird. An dieser Stelle vorweggenommen: Es hat alles geklappt, die Lesung war erfolgreich. Der kräftige Applaus am Ende machte diesen Erfolg hörbar und die anschließenden Gespräche bei Kaffee und dem von den Eltern selbst gebackenen Kuchen bekräftigten dies nochmals. Damit können die Bücherkinder auch voller Zuversicht einige Tage voraus in Richtung Leipziger Buchmesse schauen, wo sie erneut der Öffentlichkeit ihr jüngstes Buch Die Farben der Kindheit vorstellen werden. Das wird in der Messe-Stadt am Sonnabend, den 29. April, von 11 bis 11:30 Uhr, in Halle 3, am Stand B 400, sein.

Doch zurück zur Buchlesung in der Aula des Brandenburger Domgymnasiums, sozusagen der Heimstätte der Bücherkinder. Das Datum der Lesung, der 18. März, war nicht zufällig von Armin Schubert ausgewählt worden. Hätte doch an diesem Tag die Literatin Christa Wolf ihren 94. Geburtstag gefeiert. Und Christa Wolf gehört zu den vier Schriftstellern, mit deren Kindheitsjahren und Kindheitserinnerungen sich die Bücherkinder für ihr jüngstes Buch auseinandergesetzt haben. Neben Christa Wolf sind das Jurek Becker, Günter Grass und Franz Fühmann. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung haben die Bücherkinder in eigenen Texten verarbeitet. Christine Becker, die Frau von Jurek Becker, hatte eine Schreibwerkstatt geleitet.

Neben dem Wort spielt für sie auch die bildliche Auseinandersetzung eine große Rolle. Für Die Farben der Kindheit hatten sie besondere Anregung und großen Ansporn für die eigenen Bildwerke: mit Rainer Ehrt, Moritz Götze, Sven Großkreutz, Klaus Süß und Katrin Stangl haben fünf bekannte Künstler der Gegenwart ihre Gedanken zu den Kindheitserinnerungen der vier Literaten in Bilder umgesetzt, die ebenfalls im Buch, in einigen Exemplaren eingebunden als originale Grafiken, zu sehen sind. Diese wiederum inspirierten die Bücherkinder für ihr eigenen Farb-Linolschnitte, die sie als Buchillustrationen zu den Texten geschaffen haben.

Zu den Gästen der Lesung gehörten auch Vertreter des Vorstands der Christa-Wolf-Gesellschaft um Frau Prof. Dr. Therese Hörnigk, die ein Grußwort hielt. Selbstverständlich waren auch die Pirckheimer dabei. Sigrid Wege, Vorsitzende der Magdeburger Pirckheimer, war ebenso dabei wie Till Schröder, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Pirckheimer-Gesellschaft. Er dankte nicht nur Armin Schubert und den Kindern für ihre tollen Buchprojekte, sondern ermutigte sie, weiterzumachen, ihre Erlebnisse und Erfahrungen weiterzugeben wie mit dieser Lesung und dabei auch neue und ungewohnte Schritte zu gehen. Dass die Bücherkinder offen für neue Wege sind, zeigten am Ende die Bücherkinder Alma und Mina mit ihrem Rap Ich bin wütend! Den werden sie hoffentlich auch bei der Leipziger Buchmesse Ende April vortragen.

(Ralf Wege)

Mo, 20.03.2023

Vom Original zum Einband: Cover-Vorlage von Gerd Mackensen für den "Palmbaum" (Heft 2/2007).
Blick ins Pirckheimer-Kabinett I. | © Till Schröder
Blick ins Pirckheimer-Kabinett II. | © Till Schröder

Burgk II: Dada, „Palmbaum“ und eine Silbermann-Orgel

Auf Schloss Burgk bei Schleiz eröffnete am vorletzten Samstag, den 11.03., eine Ausstellung der Thüringer Literaturzeitschrift Palmbaum zum 30-jährigen Bestehen (siehe auch die detaillierte Ankündigung im Blog und den Artikel von Elke Lang vor einigen Tagen). Was kann eine solche Zeitschrift schon großartig zeigen?, fragt sich mancher. Textfahnen? Ausgedruckte E-Mails

Im Falle des Palmbaums allerhand Bildliches, denn seit 2005 zeichnet stets ein Künstler für den Umschlag des 1993 gegründeten Journals verantwortlich. Und dieser Prozess ist Kern der Schau: Man sieht die originalgrafischen Vorlagen gegenübergestellt mit dem endgültigen Umschlag, die Synthese aus Bild, Layout und Schrift. Es liegen Umschlag-Alternativen aus, Künstlerbriefe, Druckplatten, Künstlerbücher, Grafikzyklen, denn die Zeitschrift ist eng eingebunden in ein Netzwerk des Austauschs zwischen Literaten und bildenden Künstlern. Und so bietet sich ein kooperatives Panorama von Gerhard Altenbourg bis Reinhard Zabka, das in seiner Bandbreite beeindruckt. Man sieht ein Exemplar von Altenbourgs Wund-Denkmale, einen Autografen von Gottfried Benn, illustrierte Episteln von Karl-Georg Hirsch, konstruktivistische Pop-Art von Hans Ticha, feine Zeichnungen von Horst Sakulowski, Expressives von Angela Hampel und, und, und.

Bevor es aber in die geheizten Galerieräume ging, startete die Ausstellung mit einer Dada-Matinee in der kalten Schlosskapelle. In Erinnerung an den Dada-Kongress in Weimar und Jena von 1922 rezitierte Palmbaum-Chefredakteur Jens-Fietje Dwars Gedichte, spielte Michael von Hintzenstern auf der barocken Silbermann-Orgel Erik Satie und verführte die gut 50 Gäste zu einem Dada-Chor, die Schwitters-Ursonate skandierend. Eine heiße Show in kalten Gemäuern – genau das Richtige. Draußen lag teilweise noch Schnee, innen waren es knackige sieben Grad, was irgendwie auch zur schneidenden Lyrik von Kurt Schwitters und Hugo Ball passte.

Aus Pirckheimer-Sicht ist noch ein anderer Aspekt interessant: Im Pirckheimer-Kabinett, in den 1980ern von Lothar Lang begründet, um der reichhaltigen Exlibris- und Buchkunst-Sammlung des Schlosses einen Präsentationsort zu geben, wirft Dwars einen Blick auf die grafische Editions-Tätigkeit der Pirckheimer-Gesellschaft. Als Herausgeber der Edition Pirckheimer zeichnet er für zwei Grafik-Mappen der Gesellschaft mit Werken von Künstlern wie Baldwin Zettl, Claudia Berg, Dieter Goltzsche oder Max Uhlig verantwortlich. Außerdem sind alle grafischen Beilagen der Marginalien seit 2016 in den Vitrinen zu sehen, deren Redaktion Dwars ebenfalls angehört, eine Fülle künstlerischer Handschriften dokumentierend von Strawalde bis Ottographic.

Schließlich lockt noch ein dritter Raum: Im Erotikkabinett dreht es sich um Zeichnungen von Gerd Mackensen für zwei illustrierte Anthologien des Menantes-Preises für erotische Dichtung und für Goethes Erotica, genauer um eine neu von Dwars edierte Fassung in der Edition Ornament. Die sinnlichen Originale entfalten an den Wänden noch einmal eine andere Wucht in voller Größe, gerade im Vergleich zur in der Vitrine ausgelegten Buchversion. – Drei Grafikwelten für den Preis von einer. Ein Besuch lohnt sich! Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Juni zu sehen. Ab 15. Juli öffnet sie dann im Romantikerhaus Jena

(Till Schröder)

Mo, 13.03.2023

Das Buch "Die Farben der Kindheit. Die Bücherkinder sehen die Kindheit von vier Literaten" versammelt die Resultate der Beschäftigung der Bücherkinder mit Christa Wolf, Franz Fühmann, Günter Grass und Jurek Becker. Das Projekt wurde zudem von fünf namhaften Künstlerinnen und Künstlern, darunter Katrin Stangl, Moritz Götze und Rainer Ehrt, die zum Thema Grafiken schufen, begleitet.

Die Farben der Kindheit: Lesung & Musik mit den Bücherkindern

Großer Bahnhof anlässlich von Christa Wolfs 94. Geburtstag in Brandenburg an der Havel: Am 18. März lesen die Brandenburger Bücherkinder aus ihrem Buch Die Farben der Kindheit, das sich mit den Kindheiten der großen Erzählerin (1929–2011) und ihrer drei nicht minder bedeutenden Autoren-Kollegen Franz Fühmann (1922–1984), Günter Grass (1927–2015) und Jurek Becker (1937–1997) befassen. Unter der Ägide von Armin Schubert und Christine Becker lesen, sprechen und musizieren die von den Pirckheimern unterstützten und bei der Galerie Sonnensegel angesiedelten Bücherkinder in der Dom-Aula (Burghof 9, Treppe), die Veranstaltung beginnt um 15 Uhr mit der Begrüßung der Gäste durch Schubert und die Witwe Jurek Beckers, dessen Bücher Jakob, der Lügner und Amanda herzlos nach wie vor zu den Klassikern der deutschsprachigen Literatur der jüngeren Vergangenheit zählen. Im Anschluss an eine Slide-Show zu den Resultaten der Beschäftigung mit den Kinderzeiten der bedeutenden Vorgänger folgen die Grußworte von Christa-Wolf- und Pirckheimer-Gesellschaft durch Prof. Dr. Therese Hörnigk und Till Schröder, die Lesungseinführung samt Rap sowie ein Briefauszug Christa Wolfs an Franz Fühmann. Danach lesen die Bücherkinder in zwei Runden aus dem Buch, flankiert von den Liedern Der Mond ist aufgegangen und Nun ade, du mein lieb Heimatland (Gesang und Klavier: Elizabeth und Anna Zadorozhna), gefolgt von Christine Becker, die Texte Beckers, von Günter Grass und Christa Wolf liest. Nach dem Dank an alle Beteiligten klingt die Veranstaltung mit Kaffee und Kuchen gegen 16.30 Uhr aus. Die Farben der Kindheit. Die Bücherkinder sehen die Kindheit von vier Literaten: Was für ein wunderbares Beispiel der kreativen Arbeit mit Kindern im Spiegel der Literatur!

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Mi, 18.01.2023

Das neue Heft der "Marginalien" mit einer der sieben Beilagen: "Stillleben mit Dame" von Inka Grebner.
Urte von Maltzahn-Lietz, Julia Penndorf und Petra Schuppenhauer (v. l. n. r.) beim Drucken der Beilagen im Atelier Carpe Plumbum. Foto: augen:falter.

Marginalien 247 erschienen

Gleich mit sieben, wenn auch gerecht auf die Hefte der Vereinsmitglieder verteilten Wundern wartet die kürzlich erschienene Ausgabe 247 der Marginalien, der Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie der Pirckheimer-Gesellschaft auf. Die originalgrafischen Beilagen des Journals entstanden dieses Mal in Leipzig: Die Redaktion hatte die Mitstreiterinnen der Künstlerinnen-Gruppe augen:falter eingeladen, die besondere Beigabe zu fertigen. Und wie es das Glück will, lieferte jede Künstlerin ein Blatt für den gemeinsamen Zyklus Persephones Wintergarten: Inka Grebner, die einzige, die mittlerweile nicht mehr in der Pleißestadt, sondern in Mainz lebt, ein Stillleben mit Dame, Urte von Maltzahn-Lietz die Gartenmondviole beschwörend, Katja Zwirnmann den Totenkopfschwärmer präsentierend, während es bei Franziska Neubert Zicke Zacke ... geht, Petra Schuppenhauers Blumen mit Julia Penndorfs still alive parlieren und es auf Nadine Respondeks Blatt fruchtig, fuchtig & verblichen zugeht. Alle Werke als zweifarbige Linolschnitte auf einem Bogen bei Carpe Plumbum gedruckt, könnten sie, so mußmaßt der leitende Redakteur Till Schröder, dereinst ein Signet sein für eine Pirckheimersche Sammelwut, ausgelöst im eben angebrochenen Jahr. Christiane und Norbert Grewe berichten derweil von einem goldenen Zeitalter der Buchillustration, es gibt Texte zu berühmten Büchern von Matthias Wehry, Maria Bogdanovich und Elke Lang zu lesen im Heft, eine Sichtung der legendären Leipziger Bilderbogen, die Fortsetzung des ABCs der Druckkunst von Thomas Glöß sowie den Bericht Ralf Weges vom Pirckheimer-Jahrestreffen in Oldenburg. Die Typografische Beilage widmet sich indes G. A. E. Bogeng, es gibt Rezensionen, Mitteilungen aus dem Leben der Pirckheimer und anderer Sammelverrückter. Auch zum 600. Mitglied der Gesellschaft findet sich gute Kunde im Heft. 

(André Schinkel)

Di, 17.01.2023

Im ehrwürdigen Gotha (hier: Schloss Friedenstein) findet vom 22. bis 24. September das Jahrestreffen 2023 der Pirckheimer-Gesellschaft statt.

Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft 2023 in Gotha

Nach der letzten Zusammenkunft in Oldenburg 2022 empfängt dieses Jahr die Pirckheimer das thüringische Gotha. Vom 22. bis 24. September feiern wir in der alten Residenzstadt ein Jubiläum: Es ist das 50. Jahrestreffen unserer Gesellschaft, organisiert durch Peter Arlt. Das erste Treffen dieser Art fand 1972 in Dresden statt. Gotha bietet Führungen durch die Forschungsbibliothek Gotha, eine musikalische Reise in der Schlosskirche zu Willibald Pirckheimer und seinen Zeitgenossen mit Sabine Lindner, Bildende Kunst und Musik von Thomas Offhaus, eine Ausstellung im Spiegelsaal mit Neujahrsgrafiken aus fünf Jahrzehnten der Sammlung Peter Arlt, und auch das Sammlerpaar Christiane und Norbert Grewe gibt im Vortrag und Gespräch Einblicke in ihre Buch- und Grafikschätze. Das endgültige Programm und die Modalitäten der Anmeldung werden bis zum Frühsommer auf der Internetseite der Pirckheimer und in Heft 249 (Ausgabe 2023/2) der Marginalien, der Zeitschrift unserer Gesellschaft, veröffentlicht. 

(Till Schröder)

Fr, 07.10.2022

Die neue Ausgabe der "Marginalien" samt der Grafik von Xago und dem "Besonderen Blatt" zu Ehren von Matthias Gubig. ǀ © Till Schröder

Marginalien 246 erschienen

Ganz frisch auf dem Tisch ist die neueste Ausgabe der Marginalien, genauer gesagt die Ausgabe 246 der Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie der Pirckheimer-Gesellschaft. Unter der Ägide von Chefredakteur Till Schröder entstand wieder ein Heft voller Aufsätze, Rezensionen und Mitteilungen, das sich der Hingabe zum schönen Buch, der Grafik und im besten Sinne der Bibliomanie hingibt: Ernst Falk würdigt Heinz Edelmann, Renate Reschke porträtiert Xago (der mit Unter Beobachtung: Kunst wunderbarerweise gleich auch die Beilage für die Vereinsmitglieder beisteuerte) zum runden Geburtstag; Jens-Fietje Dwars kündigt die zweite Folge der Edition Pirckheimer an, Matthias Flügge hält eine Laudatio auf Strawalde, Anja Harms und Eberhard Müller-Fries (deren Ausstellung in Oldenburg eben die Pirckheimer begeisterte) erfahren Würdigung, Dieter Goltzsche erinnert an Ursula Lang. In der Typografischen Beilage zeigt uns Jürgen Engler die Poesie der Satzzeichen, und im ABC der Druckkunst führt Thomas Glöß in die Kunst des Siebdrucks ein (wird in Heft 247 fortgesetzt). Und ein wirklich ganz besonderes Blatt wird mit einer Extraausgabe der gleichnamigen Rubrik an Matthias Gubig verschenkt: Mit der eigens dafür entstandenen Grafik Der Glyphenbeschwörer von Gubig-Schülerin Julienne Jattiot und einem berührenden Text Till Schröders ehrt die Redaktion den großen Typografen, der auch die Marginalien gestaltet, und gratuliert ihm zum 80. Geburtstag. Der Reigen wird beschlossen mit Rezensionen zu schönen Büchern und Mitteilungen aus der Welt derselben. 

(André Schinkel)

Di, 13.09.2022

Kinderbuchantiquar Winfried Geisenheyner, Klaus Ensikat und Xago (v. l.) am Pirckheimer-Stand auf der BücherLust 2022. ǀ © Till Schröder
Mehr als 40 Aussteller waren auf der BücherLust zu Gast. ǀ © Kerem Saltuk

Impression von der BücherLust

Die alte Tribünenhalle der Trabrennbahn in Berlin-Karlshorst war anlässlich der BücherLust am 10. und 11.09.2022 mit über 40 Antiquariaten gut gefüllt. Von der Haarlocke eines französischen Königs bis zu einem Sammelbildalbum zur kubanischen Revolution war die Bandbreite wie erwartet groß. Bei guter Stimmung tauschten sich Interessierte, Künstler und Antiquare aus, man hätte sich noch etwas mehr Publikum wünschen können – vielleicht war das spätsommerliche Wetter an dem Wochenende einfach eine Spur zu schön und lockte nach draußen. Leider musste die Pirckheimer-Gesellschaft ihr geplantes Programm wegen krankheitsbedingter Absagen eindampfen und war nur am Samstag präsent, konnte aber wieder neue Mitglieder gewinnen. Highlights waren die Signierstunde Klaus Ensikats am Stand der Gesellschaft und das kleine Geigenkonzert am Stand des Musikalienantiquariats Florisatus aus Den Haag am Sonnabendnachmittag. 2023 soll es eine zweite Ausgabe der BücherLust geben.

(Till Schröder)

Do, 28.04.2022

Zwischen Augen und High Heels

Bereits im Dezember 2021 erschien im Gretanton Verlag ein bibliophiles Buch über die Sammlung Dr. Hans-Jürgen Jessen. Dieser, Chemiker und Ausdauersportler, sammelt seit gut 40 Jahren die Kunst von Rolf Xago Schröder.
In dem Buch schauen beide nun auf diese lange Beziehung und beschäftigen sich mit den Fragen: Warum sammelt man? Warum wird man gesammelt? Wie verlief die Auseinandersetzung mit Kunst in der DDR? Welche Spielräume der Entfaltung gab es im Sport und in der Kunst?

Till Schröder (Hrsg.): Mit Kunst leben. Xago in der Sammlung Jessen.
Berlin: Gretanton Verlag 2021
80 Seiten. Bibliophile Ausgabe in 100 Exemplaren
Halbleinen mit Originalzeichnung auf dem Einband
24x 16 cm
Preis 90 €, Bestellung direkt beim Verlag
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Aus Anlass des bevorstehenden 80sten Geburtstages von XAGO am 19. Juli wurde jetzt in Berlin auch eine Ausstellung des Künstlers eröffnet.

»XAGO, dieser sehr besondere Berliner Zeichner, Maler und Wort-Spieler, zeichnet und malt und jongliert mit Worten unablässig. XAGOs Kunst ist unübersehbar inspiriert von Paul Klee, dessen Grotesken, Absurditäten und dessen spielerischem Witz.
Und immer noch probt die Linie den Aufstand gegen die Farbe und die Farbe gegen den Text.
Seit 1992 führt Erlebtes und Erdachtes zu ersten bibliophilen Künstlerbüchern, mittlerweile über 100 Titel zählend.
Und neu kommen jetzt noch Plastiken hinzu, aus der Zweidimensionalität in die Dreidimensionalität.

- Nicht mit der Idee beginnen, sondern mit der Idee enden - XAGO«

(Dr. Hildegard Gräfe)

Ausstellung: 22. April - 26. Juni 2022

Galerie art.concept
Kollwitzstr. 72, 10435 Berlin

So, 10.04.2022

Marginalien 244 mit Typografischer (Albrecht von Bodecker) und Graphischer Beilage (Uwe Pfeifer: Hin und her, Holzschnitt, sign.)

MARGINALIEN #244

Zur artbook.berlin nord konnten die Marginalien #244 bereits vorgestellt werden, am Montag darauf hatten sie die meisten Pirckheimer in ihrem Briefkasten. 

"Das seltene Finden. So betitelt Albrecht von Bodecker vor gut 35 Jahren seine Erfahrungen mit Antiquariaten. Er schreibt nicht: Das Seltene finden. Er stellt nicht die Trouvaille in den Mittelpunkt, sondern die Suche. Der Prozess ist ihm wichtiger als das Produkt. Auf dem Weg zum geliebten Fund wächst der eigentliche Schatz: Wissens- und Wahrnehmungserweiterung. Es hat schon etwas Zen-haftiges, dieses Stöbern nach schönen Büchern. Nachzulesen in unserer Typografischen Beilage, mit der wir dem Buchkünstler zu seinem 90. Geburtstag im April gratulieren.
Ums Suchen geht es auch in anderen Beiträgen unserer aktuellen Ausgabe. Die Suche nach angemessener Form zum Beispiel, von der Sabine Knopf berichtet. Sie porträtiert Friederike Pondelik, die langjährige Künstlerische Leiterin des Reclam-Verlags Leipzig.
[...]
Fast schon manisch suchte ein anderer Gestalter nach der idealen Form: Willy Wiegand und seine Bremer Presse wollten nichts mehr als das Buch an sich neu zu erfinden, landete bei klassizistischer Askese, was in einigen der schönsten Bücher des 20. Jahrhunderts gipfelte – aber auch im Konkurs, wie Helmut Steffens für uns erzählt. Auch Christof Kugler sucht: Alles zum Spanischen Bürgerkrieg. Christoph Links besuchte den Arzt aus Frankfurt am Main [...] Jens-Fietje Dwars spürt im Atelier von Uwe Pfeifer der »Magie der Sachlichkeit« nach, dem Suchen nach Gewissheiten hinter nüchterner Darstellung, [...]
Und schließlich erzählt Christiane Hoffrath von der Suche nach Wahrheit – nicht nur von der astronomischen Galileo Galileis, sondern auch von der über dessen erstes Buch, dem Sternenboten von 1610, ausgelöst durch eine spektakuläre Fälschung."

(Till Schröder, Editorial)

Di, 11.01.2022

Typografische Beilage: Die Magie des Enchiridion Leonis Papae / Grafische Beilage: ATAK HERE, Risografie

Marginalien #243

Im Editorial der Ende letzten Jahres ausgelieferten Marginalien schreibt Till Schröder: "Die Person hinter der Kunst, sie fasziniert die Kritiker. Sie oder er ginge unbeirrt ihren oder seinen Weg. Ihr oder sein Individualismus mache sie einzigartig, heißt es. Geht es um Annäherung, beschäftigt die Kritiker das Besondere im Werk oft mehr als das Verwandte. Und doch agiert selbst der Exzeptionellste unter den Schaffenden nie im luftleeren Raum. Durch Kontext entsteht Bedeutung. In Abgrenzung zum Davor das neue Danach. Starke Persönlichkeiten reifen oft in starken Umfeldern. Das Drumherum bestimmt Bildung innerer Ästhetik gleichermaßen wie Möglichkeit äußeren Ausdrucks.
In diesem Sinne erkunden die Marginalien diesmal Menschen, die ihre künstlerischen Wege in der Tat unbeirrt von Zeiten und Systemen zu gehen scheinen. Allerdings, was im Nachhinein betrachtet als zielstrebig scheinen mag, stellt sich für die Künstler selbst eher wie ein Neugieriges-Sich-Treiben-Lassen dar. Über Vorbestimmung sinnieren sie wenig. Der Schriftsteller
Ingo Schulze nimmt uns mit in die Bild- und Buchwelten von Olaf Wegewitz, dem großen Nachspürer von Natur im Papier. Matthias Gubig erkundet die illustrativen Bildwelten Jutta Mirtschins, deren Kinderbücher und Theaterplakate gleichermaßen intime wie distanzierte Weltsicht atmen. Tobias-David Albert besucht den Typografen, Buchgestalter und Bildhauer Volker Küster nahe der niederländischen Grenze, der als Schriftgestalter Zeichen nicht nur im Zweidimensionalen der Buchseiten vermisst, sondern auch im Dreidimensionalen des Eisenguss’. Jens-Fietje Dwars erzählt von drei glorreichen Jahren des Hans Mardersteig und seiner Kunstzeitschrift Genius im Deutschland der 1920er Jahre, während Norbert Grewe in die Anfangsjahre des Diogenes Verlags eintaucht – und Daniel Keels Faible für die Fantastik. Michael Siefeners Kurzgeschichte über ein Zauberbuch in den Katakomben Lyoner Antiquariate verströmt eben solche in unserer Typografischen Beilage. Bernhard Hampp steigt ein in die napoleonische Epoche und ruft Adalbert Chamisso, den weltreisenden Franzosen in preußischem Dienst, seinen Schlemihl und den Kunersdorfer Musenhof ins Gedächtnis. Fritz Jüttner erinnert an 250 Jahre Klopstock’scher Oden, die Kraft eines Kommas und die Wirkmacht illegaler Nachdrucke. Und [... Till Schröder ...] durfte bei ATAK vorbeischauen, dem Professor der Illustration mit Punk-Wurzeln, der das Malen zitatreicher Stilleben für sich entdeckt hat."

Als grafische Beilage erhielten Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft die Risografie von ATAK HERE, vom Künstler signiert und nummeriert, in 650 Exemplaren dreifarbig gedruckt von Dominik Dabrowski in der Druckwerkstatt der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale). Die allen Heften beiliegende typografische Beilage enthält den oben erwähnten Text "Die Magie des Enchiridion Leonis Papae", wie immer gestaltet und kommentiert von Matthias Gubig.

Mo, 27.12.2021

Ein Nagel für die Marginalien

Im ADC Wettbewerb 2021 wurde den Marginalien, Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, wie hier berichtet, der Bronzene Nagel des Art Directors Club für Deutschland verliehen.
Insgesamt wurden in dieser Kategorie drei Bronzene Nägel vergeben. Die beiden anderen Preisträger sind die Design-Zeitschrift "form" und die Zeitschrift der Wochenzeitung "ZEIT", das "ZEIT-Magazin". Goldene und Silberne Nägel sind in diesem Jahr von der Jury nicht verliehen worden.

Wie unser Chefredakteur Till Schröder mitteilte, ist diese Auszeichnung jetzt nach einigen Irrwegen in realitas bei der Pirckheimer-Gesellschaft eingetroffen und kann somit hiermit vorgestellt werden.
Diese Würdigung wird der gesamten Redaktion Ansporn für weitere interessante und vielfältige Beiträge in zukünftigen Heften der Marginalien sein und den Lesern ist diese Auszeichnung nochmals Anlass, der Redaktion dafür Dank zu sagen.

Di, 28.09.2021

Doppeltitel der Kelmscott Press: "The Works of Geoffrey Chaucer" (1896)

Marginalien #242

Das dritte Heft der Marginalien diesen Jahres ist derzeit in der Auslieferung.

"Vermittler, Befähiger, Anreger: In vielen Bereichen braucht es Menschen, die Wege bereiten, damit eigene Kreativität ihren Weg finden kann. Ob nun Mäzene, die Forschung ermöglichen, Lehrer, die Talente erkennen, oder Freunde und Familie, die einen machen lassen, statt mit Skepsis in den Speichen eigenen Strebens zu stochern. Wer wagt, gewinnt. Und Wagnisse sind Bildungsbeschleuniger. Wir werfen diesmal einen Blick auf einige solcher »Enabler« in Sachen Buch. Ernst Falk breitet in einem kommentierten Verzeichnis der Malerbücher der Èditions Tériade die gesamte Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks der Moderne des letzten Jahrhunderts aus. [...] Henri Matisse bezeugt dies in seinem Rückblick aufs Büchermachen in unser Typografischen Beilage. [...] Sylke Kaufmann, Leiterin des Lessing Museums in Kamenz, erzählt von der Grafiksammlung des Hauses und wie sie über die Jahrzehnte Künstler mit Lessings Gedanken zusammenbrachte, Blatt für Blatt wachsend. Peter Richter wiederum schaut zurück auf die Antiquare seines Lebens.  [...] Dass Ideen für Äonen aber gleichermaßen in just diese tagespolitische Mühlen geraten können, zeigt Norbert Grewe. Anhand eines Autografen des amerikanischen Autors Isaac Asimov blickt er auf die politisch aufgeladen Verwerfungen der Science Fiction-Fanszene der 1970er Jahre in Deutschland und die damaligen Konflikte rund um Utopie und Alltag. Und letztlich ruft uns Hans Eckert in unserer Serie Berühmte Bücher den Buchkunst-Anreger par Excellence des vorvorherigen Jahrhunderts ins Gedächtnis: William Morris und seine Kelmscott Press [...]

(Till Schröder)