Pirckheimer-Blog

Neuerscheinung

Do, 23.11.2023

Schriftenkartei-Box und Wörgötters Sammelwerk.

„Schriftenkartei“ von Wörgötter

Michael Wörgötter ist Professor für Typografie an der Hochschule Augsburg. Während eines Forschungssemesters setzte er sich mit einer Schriftenkartei aus den Jahren von 1958 bis 1970 auseinander. Dafür waren Karteikarten für alle erhältlichen Schriften der noch erhaltenen westdeutschen Schriftgießereien gedruckt. Die Verteilung dieser Karteien wurde damals von der Arbeitsgemeinschaft der gra­phischen Verbände des deutschen Bundesgebietes e. V., Bundesverband Buchdruck, organisiert. Auf der Vorderseite jeder Karte ist der vollständige Zeichensatz jeder Schrift mit den wesentlichsten Informationen zu ihrer Entstehung gezeigt (vgl. die Abbildung). Auf der Rückseite findet man Beispiele der jeweiligen Schrift, sorgfältig gedruckt und in allen Graden.

Wörgötter scannte die Karten für alle 638 Karten ein. Mit den Scans gestaltete er ein dreibändiges Werk, gedruckt in einer limitierten Auflage, die bereits vergriffen ist. Das renommierte Letterform Archive in San Francisco interessierte sich für Michael Wörgötters Projekt und stellte die Scans aller Karteikarten auf die Plattform von Flickr.com, damit jeder sie in hoher Auflösung sehen kann. Auch Wörgötters Exemplar mit den physischen Karten aus den fünfziger bis siebziger Jahren ist nun in San Francisco. Aus öffentlichen deutschen Sammlungen sind bisher nur vier Exemplare bekannt. Einen englischsprachigen Beitrag zum Projekt hat Stephen Coles vom Letterform Archive verfasst und online gesetzt. Darin sind mehrere Abbildungen und die Links zu den Karten-Scans zu finden.

(Dan Reynolds)

Do, 16.11.2023

Angeli & Engel: ein neues Buch von Klaus Waschk.

Waschk: „Liebe, Leid & Untergang“

Es ist eine Extra-Ausgabe des Hamburger Bothen wert: Die zwei in der freien Hansestadt ansässigen Pirckheimer-Freunde Rudolf Angeli und Peter Engel kündigen als vierte Edition ihres eponymen kleinen Verlags unter dem furiosen Titel Liebe, Leid & Untergang ein neues Buch von und mit dem gleichsam Hamburger Künstler und Kunstprofessor Klaus Waschk an. Das genau hundert Seiten fassende Buch enthält 49 Balladen der deutschsprachigen Literatur von der staufischen Klassik bis in die Gegenwart, von Friedrich von Hausen bis Peter Rühmkorf. Viele große Namen sind dort dabei: Walther von der Vogelweide mit Unter der linden, Friedrich Rückert, Heine mit Marie Antoinette und den Nixen, Meister Goethe natürlich und Schiller, deren Balladen zum Inbegriff der Gattung wurden. Aber gleichsam die teils tragischen Dichter der klassischen Moderne sind mit Namen wie Trakl, Heym, Morgenstern, Britting oder Tucholsky vertreten. Neben den in die Gegenwart mündenden Brecht, Grass und Kunert ist mit Helga M. Novak nach der Günderode und der Droste noch eine Dichterin in den Beispielen der Gegenwart vertreten. Alle Balladen sind von Bilderbögen Waschks begleitet, Zeit-Autor Peter Kümmel steuert ein einstimmendes Vorwort bei. Das Buch erscheint in einer Auflage von 144 Exemplaren, davon 55 als bibliophile Vorzugsausgabe, vom Künstler signiert und mit einer eigens für den Band geschaffenen Originalgrafik versehen. Die reguläre Ausgabe (ISBN 978-3-98249-801-0) kostet 38 Euro, die mit dem Original versehene 98 Euro. Es besteht Subskriptionsmöglichkeit bis zum 15.12.2023, bis dahin sind die Ausgaben für 30 bzw. 75 Euro zu haben. Interessenten wenden sich an den Verlag (angeliundengel@web.de), Rudolf Angeli (Rudolf_Angeli@web.de) oder direkt an den Künstler (klaus@waschk.de). Im frischen gedruckten Flyer, der mit der nächsten Ausgabe der Marginalien an die Pirckheimer verteilt wird, wie im Hamburger Bothen (Bezug über die Herausgeber) finden sich weitere Informationen.

(André Schinkel)

Di, 07.11.2023

„Danke Artur!“ Das Buch enthält 36 Beiträge der Freunde Arturs mit vielen Grafiken und Fotografien,
sorgfältig gestaltet von Annette Kölbel. 112 Seiten im Format 21 x 26 cm, Naturpapier, fadengeh. Br.

Nachrichten aus Hamburg: Artur Dieckhoff, Klaus Raasch & Arte

In seinem Newsletter sendet der Hamburger Künstler Klaus Raasch folgende Nachricht: „Im August bekamen wir in der Grafischen Werkstatt des Museums der Arbeit Besuch von einem Kamerateam, das einen Dokumentarfilm über den Maler Roy Lichtenstein drehte und etwas über die (Druck-)Produktion von Comics wissen wollte. Walter Fischer und ich konnten dazu einiges beitragen und freuen uns, im fertigen Werk gut vertreten zu sein. Die Dokumentation lief am vergangenen Sonntag auf Arte und kann dort in der Mediathek bis zum 24. Januar 2024 abgerufen werden.“ Weiter schreibt er, das Andenken eines verstorbenen Kollegen betreffend: „Gut neunzig Besucher kamen am 02. November in das Atelier Gausz in Hamburg-Ottensen zum Gedenken an Artur Dieckhoff. Der Abend wurde von Saskia Brzyszczyk (...) gestaltet, Jürgen Bönig blickte noch einmal zurück auf eine lange und intensive Zusammenarbeit mit dem Museum der Arbeit. (…) Das Buch Danke Artur! fand auf der Veranstaltung große Resonanz – und ist ein Muss für alle Artur-Fans, Freunde und Sammler! Es kann noch auf der Finissage mit dem Jazzpianisten Harald Köster am 12. November 2023 um 15 Uhr im Gausz oder auch online erworben werden.“ Gausz, das Ottenser Atelier für Kunst und Kultur“, befindet sich in der Gaußstraße 60 in 22765 Hamburg.

(Klaus Raasch/André Schinkel/Pressemitteilung)

Sa, 04.11.2023

Buch des Monats November: Grimms Märchen, Band vier: "Blaubart, Blut und Dinge", neu illustriert von Henrik Schrat, ist soeben erschienen bei Textem in Hamburg. Weltpremiere des Buchs ist am 11.11.2023 in Hamburg daselbst, und die Hauptstadt-Premiere findet am 24.11., beide jeweils mit Ausstellungen verbunden, statt. Nebelmond-Buchkunst au point.

Schrats Märchen, Band Nummero vier: „Blaubart, Blut & Dinge“

Es ist Band vier eines hochambitionierten editorischen Großprojekts: Grimms Märchen (Rodung · Kreuzung · Lichtung), die neue und bibliophile Gesamtausgabe aller Grimm-Texte in fünf Teilen, neu illustriert von Henrik Schrat. Drei Bände, in denen es von Zauber, von Wundern und aber von kontemporären Wesen im Bildteil auch wimmelt, glänzt und leuchtet, liegen bereits vor – und am 06. November erscheint nun mit Band vier: Blaubart – Blut & Dinge, mit den ureigenen Worten des Künstlers höchstselbst der „dunkelste und coolste“ von allen. Das dementsprechend auch bereits im Einband tief-, ja, verdachtsweise um ein Haar spinellschwarze Buch versammelt denn auch so einige der gruselschönsten Märchentexte der ikonischen Vollversammlung dessen, was Jakob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) in jahrzehntelanger Kleinarbeit vereinten und damit ein Volksbuch der nachhaltigen Art schufen, zeitlos in beide Richtungen, das alte Wissen wie das eherne, über die Ären Gültige fassend (Hamburg: Textem Verlag, 285 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-86485-249-7, 34 Euro). In der neu bebilderten Folge von Schrat (I: Schneefall, II: Dornenrose, III: Lumpengesindel, IV: Blaubart, V: Und Gretel …) kann man im Bildteil auch selbst auftauchen – man möge sich also für den abschließenden Band beeilen. Schrat dazu: „Die 240 Märchen sind in fünf Bände aufgeteilt, die nicht der Grimmschen Sortierung entsprechen, sondern thematische Gruppen bilden und Gegenüberstellungen suchen. [Cameoauftritte für spezielle Märchen bitte [lang vorher anmelden, das Interesse ist groß, und ich muss das limitieren, damit das Märchenbuch keine Portraitsammlung wird. Aber das Erscheinen von realen Personen gibt dem Projekt schon eine entscheidende Wendung der ‚Diesseitigkeit‘ …“ Zunächst aber wird zweimal Premiere gefeiert und ausgestellt – am 11.11. in Hamburg (Frise, Arnoldstraße 26–30, 22765 Hamburg, ab 18 Uhr) und am 24.11. in Berlin (Kurt-Kurt, Lübecker Straße 13, 10559 Berlin, ab 19 Uhr). Danach sind die beiden Exhibitionen samt Gästen (Kollwitz, Hegenbarth ...!) noch bis in den Dezember zu sehen. Alle Infos auf der Webseite des Künstlers. Märchenhaft, ein Buch des Monats November nach Maß.

(André Schinkel)

Do, 02.11.2023

Neue Schriftfamilie erschienen – Cover/Backcover der neuen Serie57®-Schriftprobe von p98a.berlin.

Neue Schriften von Spiekermann

Serie57® ist eine neue Schriftfamilie von Erik Spiekermann und Alexander Roth, die am 01. November vom neuen Schriftanbieter „neue“ in Bad Salzuflen veröffentlicht worden ist. Die Schrift ist laut den Entwerfern eine „Wiederentdeckung der Akzidenz-Grotesk Serie 57“, die von Günter Gerhard Lange (1921–2008) für die H. Berthold AG in Berlin vor mehr als einem halbem Jahrhundert gestaltet wurde. Vielleicht genauso spannend wie die Schrift an sich ist die 64-seitige Schriftprobe dafür – in fünffarbigem Offsetdruck realisiert – die über Spiekermanns Webseite p98a.berlin bestellt werden kann. Die Schriftprobe ist in einer Auflage von 500 Stück erschienen, und dank des weltweiten Bekanntheitsgrades von Spiekermann selbst und der alten Akzidenz-Grotesk ist sie sicherlich bald vergriffen. Vielleicht wird sie eines Tages bei Sammlern wie mir genau so begehrt sein wie die Proben von Berthold. (Die Order-Zugriffe dafür sind im Beitrag verlinkt.)

(Dan Reynolds)

Di, 31.10.2023

Der Autor Wulf Kirsten (1934–2022). | © Jens Kirsten
Der Band "Nachtfahrt" erschien im quartus-Verlag.

Bibliophiles des Monats: Wulf Kirstens „Nachtfahrt“-Prosa

Er war einer der bedeutendsten Lyriker der Gegenwart, ein akribischer und hochseismischer Bewahrer, Auffinder und Entdecker von Literatur, mithin der Nestor und Tribun der thüringischen Literaturszene: Wulf Kirsten, der, 1934 im sächsischen Klipphausen geboren, am 14. Dezember des letzten Jahrs im Alter von 88 Jahren in Bad Berka starb. Seit den sechziger Jahren war Weimar die Stadt seiner Wahl, hier entwickelte er zunächst ein hochwichtiges Wirken als Lektor des Aufbau-Verlags und reifte zugleich zum vielfach geehrten Dichter von hohen Graden, unter anderem mit dem Huchel-, dem Josef-Breitbach-Preis, einem Ehrendoktorat der Jenaer Universität und dem Thüringer Literaturpreis ausgezeichnet. Ein passionierter Wanderer und Landschafter, wurde seine Dichtung erinnernde Arbeit, Richtmaß, Vorbild einer Reihe jüngerer Dichter und Dichterinnen.

Kirsten, der auch ein hochambitionierter Herausgeber und Erfinder von Buchreihen war, ist auch für die auf Band Nr. 60 zulaufende Edition Muschelkalk verantwortlich zu machen, deren weitere und beherzte Herausgabe ich 2015 auf seinen Vorschlag als sein Nach-Nachfolger übernahm. So ist sein Wirken auf verschiedene Weise in der Welt geblieben und verankert. Dass das auch mit seinem Werk geschehe, ist nicht nur ein Wunsch der thüringischen Szene, die ihm so viel verdankt. Nun: Mit dem von Pirckheimer-Freund Jens-Fietje Dwars herausgegebenen ersten Nachlassband Nachtfahrt (Edition Ornament im quartus-Verlag, Bucha bei Jena 2023, 176 Seiten, ISBN 978-3-94764-652-4, 22 Euro) ist ein furioser Anfang gemacht. Das Buch enthält autobiographische Prosa und ist in der wunderbaren Essay-Unterreihe erschienen. Die Texte schließen an die vorhergehenden Prosa- und Essaysammlungen Kirstens an und zeigen ihn noch einmal in seiner ganzen Kraft des Schöpfens wie Erinnerns. In der Nachfolge seines 2000er Bands Die Prinzessinnen im Krautgarten widmet sich der Dichter in Nachtfahrt seiner erwachsenen Biografie. Das ist berührend, bewahrend, zuweilen skurril, immer authentisch und tief. Radierungen von Susanne Theumer begleiten das Buch, es sind mehrere Vorzugsausgaben erwerbbar. Regulär oder originalgrafisch: Eine bibliophile Kostbarkeit ist dieses Buch in jeder Ausführung. Und eine Empfehlung für alle Buch-Affinen!

Eine erste Lesung aus Nachtfahrt zum Gedenken an Wulf Kirsten fand am 01. Oktober in Gera statt, veranstaltet vom Herausgeber des Buches, Jens-Fietje Dwars, und Annerose Kirchner. Und weitere Veranstaltungen, unter anderem mit der Grafikerin Susanne Theumer oder dem halleschen Autor Wilhelm Bartsch, werden folgen. Im Übrigen ist auch ein originalgrafisches Buch mit Kaltnadeln Susanne Theumers zu acht nachgelassenen Gedichten Kirstens als 53. Druck in der Edition der Künstlerin in kleiner Auflage erschienen. Der Titel ist sympatrisch zur Nachlass-Publikation in der Edition Ornament: Abendlicht. Und auch ein Album amicorum, das Werk und den Nachhall Wulf Kirstens als Kollege und Freund in vielen Stimmlagen (Michael Krüger darunter, Volker Braun) würdigend, ist angekündigt und erscheint, herausgegeben von seinem Sohn Jens Kirsten, Wolfgang Haak und Christoph Schmitz-Scholemann, in Kürze. Ehre, wem sie gebührt ... So möge es sein.

(André Schinkel)

Fr, 27.10.2023

Wiedergeburt der schönen Venus-Grotesk-Schrift.

Wiedergeburt der Venus-Grotesk

Vor Jahren schrieb das Schriftgestalterduo Christian Schwarz/Paul Barnes im Eye Magazine: „Mit jeder neuen satztechnischen Entwicklung bleiben unzählige Schriftarten zurück. […] Wie die Venus eben.“ Jetzt hat der australische Designer Dave Foster nachgelegt, und zwar mit seiner eben veröffentlichten Taurus Grotesk Venus fürs 21. Jahrhundert. Die Schriftfamilie ist zwar optisch nicht mit den Originalschnitten von der Bauerschen Gießerei Frankfurt (Main) gleich, trotzdem bleibt der Geist der vor mehr als 100 Jahren erschaffenen Schrift in jeder Glyphe spürbar, wie der Entwerfer in seinem ausführlichen Beitrag zur Schriftfamilie auf Foster Type erläutert. Die Taurus Grotesk ist damit nun im Offset- und Digitaldruck sowie auf Webseiten und Apps einsetzbar.

(Dan Reynolds)

Mi, 25.10.2023

Till Sailer im anschließenden Gespräch, hier mit dem Lyriker Henry-Martin Klemt bei der Buchpremiere im Kleist-Museum Frankfurt an der Oder. | © Elke Lang

Buchpremiere mit Till Sailer

Mit einer sehr gut besuchten Premiere als literarisch-musikalische Inszenierung mit seiner Tochter Juliane Sailer am Piano hat Pirckheimer Till Sailer im Oktober im Kleist-Museum Frankfurt (Oder) sein neuestes, im Mitteldeutschen Verlag erschienenes Buch Der Krieg meines Vaters. Eine Annäherung der Öffentlichkeit vorgestellt. Es basiert auf Briefen, Tagebucheintragungen und Gedichten seines in den letzten Kriegstagen 1945 gefallenen Vaters Herbert Sailer (1912–1945), des Erziehers einer Nazi-Eliteschule und feingeistigen Lyrikers mit zahlreichen Veröffentlichungen schon zu Lebzeiten. Diese widersprüchliche Persönlichkeit, die bis zuletzt fest nicht nur der nationalsozialistischen Ideologie anhing, sondern sie auch der Jugend einimpfte, wirft viele Fragen auf, die auch in der anschließenden Diskussion angesprochen wurden. Psychologe Roland Kant dazu: „Till Sailers Buch greift auf die sehr persönlichen Dokumente aus dem Leben seines Vaters 1939 bis 1945 zurück. Er ergänzt die aus gutem Grund vielfältig beschriebene Opferperspektive um eine Täterperspektive. Und insofern beschreibt das Buch nicht nur einfach Vergangenheit. Es ist besonders wichtig für unsere gesellschaftliche Gegenwart und Zukunft. Kein Täter werden! Das bleibt eine menschliche Herausforderung. Und – wie vermitteln wir das einer Generation, die, zu unser aller Glück, ohne eigene Diktaturerfahrung aufgewachsen ist?“ Die nächste Buchvorstellung, bei der auch der Verleger Roman Pliske anwesend sein wird, findet am 16. November, 19 Uhr in der Gemeindebibliothek Bad Saarow statt. (Alle Infos zum Buch auf der Webseite des Verlags.)

(Elke Lang)

Sa, 14.10.2023

"Geschichte des deutschen Buchhandels", Band 5/2.
Christoph Links, Carsten Wurm. | © Robert Grieger

„Die DDR ein Leseland?“: 45 Jahre Geschichte des dt. Buchhandels zwischen Ostsee und Thüringen

Am 12. Oktober 2023 fand im Kleinen Säulensaal der Berliner Stadtbibliothek eine tolle Buchpräsentation einer Neuerscheinung in Bezug auf die Geschichte des Buchhandels statt. Christoph Links und Carsten Wurm präsentierten den in dieser Woche erschienenen zweiten Teil des fünften Bandes zur Geschichte des deutschen Buchhandels. Nicht nur wurde uns dieser Band präsentiert, sondern auch einiges über dessen Inhalt und Entstehung dargeboten. 

Trotz einer Erkältung konnte uns Christoph Links einen Einblick in dieses umfassende Werk gewähren, welches es eher in die Fachbereiche der Bibliotheken oder anderer Institute schafft als in das private Bücherregal. Auch stellte man sich gern den Fragen der interessierten Zuhörer und gab bereitwillig Auskunft zu diesen. Viele Themen wurden zu einzelnen Kapiteln angesprochen: Monopolstellungen der Verlage, Abwicklung in der Wendezeit, Papierbeschaffung in der DDR, große Auflagen und Preisentwicklung in der damaligen Zeit sind nur einige dieser fraglichen Themen gewesen. So war es ein hochinteressanter Abend, bei dem ich wieder einiges gelernt habe. 

Band 5 der Geschichte des deutschen Buchhandels behandelt in zwei Teilbänden die Zeit der Sowjetischen Besatzungszone (1945–1949) und der DDR (1949–1990). Der erste Teil widmet sich den politischen Ausgangsbedingungen in Ostdeutschland nach dem Ende der NS-Diktatur und den kulturellen Rahmenbedingungen in der Zeit der SED-Herrschaft sowie der Entwicklung der wichtigsten belletristischen Verlage in dem Land. Das waren zum Beispiel Aufbau, Volk und Welt, Insel (Leipzig), Kiepenheuer, Reclam (Leipzig), Eulenspiegel, der Mitteldeutsche Verlag

Teilband 5/2, der eben erschien, schließt an den ersten Teil des dreigliedrigen Werks an, in dem die kulturpolitischen Rahmenbedingen seit der sowjetischen Besatzungszeit und die belletristischen Verlage beschrieben werden. In Überblicksdarstellungen und Porträts werden die Kinder- und Jugendbuchverlage, die Kunst- und Theaterverlage, die Musik-, die Sach- und Fachbuchverlage, die Wissenschaftsverlage, die Lexikonverlage sowie die Partei- und Kirchenverlage vorgestellt, darunter der Kinderbuchverlag Berlin und Neues Leben, Henschel, E. A. Seemann und der Verlag der Kunst, C. F. Peters, Urania-Verlag, Akademie-Verlag und Hermann Böhlaus Nachf., das Bibliographische Institut und F. A. Brockhaus, Buchverlag Der Morgen, Dietz Verlag und Union Verlag sowie, als kirchliche Editionshäuser, die Evangelische Verlagsanstalt und St. Benno.

(Robert Grieger)

Do, 12.10.2023

Franca Bartholomäi: "Kopf", Holzschnitt, 2023.

Hochdruckgrafik-Kalender 2024

Die Präsentation des brandneuen Original-Hochdruckgrafik-Kalenders 2024 findet am Sonnabend, den 14.10.2023 um 17 Uhr in den Räumen der hochdruckpartner (Lützner Straße 85 in 04177 Leipzig) statt. Bestellte Kalender können ab diesem Zeitpunkt zu den Öffnungszeiten oder nach Absprache abgeholt werden. Die Galerie ist von Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und am Samstag von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Die Künstlergruppe teilt zum Kalender das Folgende mit: „Wünschen Sie eine Zusendung, teilen Sie uns das bitte mit! Im Oktober 2023 wird zum 17. Mal unser originalgrafischer Hochdruck-Kalender erscheinen. Daran wirken mit: Franca Bartholomäi, Johannes Eckardt, Julienne Jattiot, Inez Odijk, Christa Rogger, Franziska Schnürer, Christiane Werner, Deborah Ziller und wir hochdruckpartner – alle Blätter wurden exklusiv für den Kalender gestaltet und gedruckt.“ Der Druck der Auflage (180 Exemplare zzgl. 24 Belege) erfolgte durch die hochdruckpartner an den Kniehebelpressen und der Andruckpresse Grafix in der eigenen Werkstatt. Komplettiert wird der Kalender durch ein originalgrafisches Deckblatt, Monatsblätter hinter den Grafiken sowie ein Infoblatt zu allen Beteiligten sowiet den Titeln und Angaben zur Technik. Alle Drucke sind handsigniert und -nummeriert. Das Format der Grafiken beträgt 36 x 29,7 cm bei einer Gesamtgröße von 45 x 29,7 cm. Der Preis des Kalenders beträgt 220 Euro. Alle Informationen zu Arbeit/Angeboten der Künstlerinnen und Künstler finden sich auf der Webseite der Gruppe.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

So, 01.10.2023

Soeben erschienen: Der "Hamburger Bothe", Nr. 18.

Hamburger Bothe 18 erschienen

Soeben ganz frisch erschienen ist der Hamburger Bothe in der Oktober-Ausgabe (Heft 18), wie die Herausgeber Rudolf Angeli und Peter Engel mitteilen. Im Editorial wird die berührende und gleichsam zweckmäßige Geschichte der Gründung des Journals, das in der Corona-Zeit als Ort und Verständigungsorgan der norddeutschen Pirckheimer-Mitglieder entstand, noch einmal kurz erläutert. Mittlerweile hat die Zeitschrift, als Ergänzung, ja, und zweites Mitteilungsblatt neben den Marginalien, eine interessierte Leserschaft im gesamtdeutschen Raum. Interessenten können sich die jeweils neue Hamburger-Bothe-Ausgabe über die Email-Adresse Rudolf_Angeli@web.de digital bestellen und zukommen lassen. Und die neue Folge hat es in sich: Neben einem Hinweis auf die bald kommende Ausstellung von Jürgen Meyer Jurkowski gibt es in der zweiten Ausgabe der neuen Rubrik der Werkstattberichte einen tiefen Einblick in die selbige von Rainer Ehrt, der den Pirckheimern schon lange verbunden ist. Abel Doering verweist in der Bibliophilen Empfehlung auf Nico Rosts Goethe in Dachau von 1948, den erschütternden KZ-Bericht, der zu den Klassikern des Genres wurde. In Freundschaften und tiefe Einblicke in die Zeit berichtet Reinhard Grüner von seinem Leben als Sammler und Thomas Glöß von den Editionen des Leipziger Bibliophilen-Abends; und im primären Teil stellt die Hamburger Autorin Sigrid Behrens ihren Text Jetzt vor. Die Schriftstellerin wird am 08. November des Jahres im Säulenkeller der Patriotischen Gesellschaft in der Hansestadt lesen. Und schließlich gibt es die Rezensionsschau und einen Lesungsbericht zu Urs Heftrichs im Verlag Angeli & Engel zweisprachig erschienenen Band Gehäuseschutt/House of Rubble, enthaltend Reime und Fotos des Dichters und Gelehrten ... das dritte Buch des Verlags.

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Sa, 30.09.2023

Wiederentdeckt: Lessings "Die Juden", mit Stichen von Baldwin Zettl verlegt in der Edition Ornament.

Neu – Ein Lessing-Stück zum 80. Geburtstag von Baldwin Zettl

Ein Lustspiel mit dem Titel Die Juden? Darf man darüber noch lachen? Lessings Stück von 1749 flimmert vor unseren Augen. Die Nachgeschichte verwandelt seine Worte in Sprengsätze: Sie seien „gottloses Gesindel“, Betrüger, Diebe und Straßenräuber, sagt ein Gutsverwalter, der sich als Jude verkleidet hat, um seinen Herrn zu überfallen. Das Buch ist die Wiederentdeckung eines Textes, der zuletzt vor zwanzig Jahren von George Tabori am Berliner Ensemble inszeniert wurde. Lessing gab als Erster jenen alltäglichen Antisemitismus dem Verlachen preis, der seit Jahrhunderten von Hass und Neid zehrt. Ein Lachen, das im Halse stecken bleibt. In einem Lustspiel ohne Happyend, das uns zwingt, genau hinzusehen, alles in Frage zu stellen, keiner vorgefassten Meinung zu trauen. Baldwin Zettl, Meister des Kupferstichs, hat Bilder zum Stück geschaffen. Sie zeigen die Figuren in ihrer zeitlosen Gegenwärtigkeit: als Typen, die uns auch im Hier und Heute noch begegnen. Das Buch erscheint zum 80. Geburtstag des Künstlers in der Edition Ornament, herausgegeben und gestaltet vom Pirckheimer Jens-F. Dwars. Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft können das Buch zum Sonderpreis von 12 statt 18 EUR bestellen unter www.edition-ornament.de oder per Mail: jens.dwars@t-online.de. Dort erfahren sie auch Details über die beiden Vorzugsausgaben des Bandes, die in Buchkassetten mit Originalabzügen der Kupferstiche geliefert werden. (Gotthold Ephraim Lessing. Die Juden. Ein Lustspiel in einem Aufzug. Mit Kupferstichen von Baldwin Zettl, hrsg. und gestaltet von Jens-Fietje Dwars, Edition Ornament im quartus-Verlag: Bucha bei Jena 2023, Farbdruck, Fadenheftung im Festeinband, 72 Seiten, 12 x 19,5 cm, ISBN 978-3-947646-56-2, Normalausgabe: 18 Euro, zudem erscheinen zwei Vorzugsausgaben des Bands in Buchkassetten.)

(Jens-Fietje Dwars/Pressemitteilung)

So, 24.09.2023

Bezaubernd: Danilo Pockrandts Wunderwesenbuch.

Büchel des Monats: „Das Lepomu“

„Woran erkennt man ein Folmtutel ...? Warum weigert sich der Lammtroll, Hände auszubilden? Und welche Frage stellt sich das Lepomu tagein, tagaus …“ So wundervoll, wie das Werk selbst ist, teasert der Klappentext des im Hasenverlag erschienenen neuesten Streichs von Danilo Pockrandt – ein Buch, randvoll mit den herrlichsten Wesen, bei denen man versucht sein möchte, an ihre Existenz zu glauben. Der hallesche Buchkünstler, Grafiker und Autor Pockrandt hat sich: teils aus Verschreibern, teils aus der Tiefe des ihm eigenen Staunens an der Welt heraus, auf 100 Seiten eine total zaubrige Bande ausgedacht, sie selbst gezeichnet, ihnen einen Bestimmungstext und im Fußraum jeder Seite noch eine Art „letztes Wort“ gegeben, dass es eine Freude ist. Weiter heißt es im Teaser: „Die feinen, farblich reduzierten Tuschezeichnungen kommen heiter-unterhaltsam daher und werden gewürzt durch kurzweilige Charakterisierungen. Beim Blättern in diesem Band eröffnet sich eine Welt voller Wunderwesen, die uns verwandt und fremd zugleich erscheint. Ein Bilderbuch, auch für Erwachsene!“ Ein Exponat, vor dem auch mancher Pirckheimer nicht gefeit sein dürfte. Sei’s drum, wenn’s der Freude dient. Das Lepomu und andere Wunderwesen. Ein Bestimmungsbuch kommt im Hardcover im Format von 21 x 21 cm zu seinem Besitzer, es hört auf die ISBN 978-3-94537-787-1 und kostet schüchterne 25 Euro. Was für ein Buch: ein Handbuch, feiernd die Fantasie.

(André Schinkel)

Fr, 15.09.2023

Die Jubiläumsausgabe 250 der "Marginalien" – hier samt originaler Grafik-Beilage, dem Kupferstich "Il bulino" vom Meister Baldwin Zettl. | © Till Schröder

Marginalien: Heft 250 erschienen

Pünktlich im Vorfeld des 50. Jahrestreffens der Pirckheimer-Gesellschaft in Gotha ist es da: das Jubiläumsheft der Marginalien, der Pirckheimer-Zeitschrift, die nun auf sage und schreibe 250 Ausgaben zurückblickt. Erstmals 1957 erschien, gibt es das Organ der Gesellschaft seit nunmehr 66 Jahren, in einer Epoche des großen Zeitschriften-Sterbens ist das ein triftiger Beweis für die Notwendigkeit des vierteljährlichen Hinweisens auf alles Schöne, was sich mit dem Phänomen des Büchersammelns verbindet, und reiht das Journal für Buchkunst und Bibliophilie in die Phalanx der langlebigen und wichtigen Fachzeitschriften dieses Landes ein; auf einem so aufregenden wie hochspeziellen Gebiet zumal. Seit 2017 arbeitet die Redaktion der Marginalien unter der Ägide von Till Schröder deutschlandweit; und auch für das Jubilate-Heft ist auf diese Weise in der Tat einiges Erstaunliches zusammengekommen. Schon auf der Vorderklappe begrüßt den Bibliophilen eine Vignette von PG-Gründungsmitglied Werner Klemke, das Wesen des Büchernarren in treffender und zärtlicher Weise erfassend. Die typografische Beilage bringt drei Begegnungen im Atelier von Lothar Lang, ihn zugleich postum zum 95. Geburtstag würdigend. Mit dem Rückblick Wie man zu seinen Büchern kommt bringt das Heft einen Nachlasstext von Klaus Walther, eingereiht in den thematisch weitgespannten Reigen der Aufsätze, Exegesen, Artikel von u. a. von Peter Arlt, Sigrid Bresler, Matthias Wehry und Jürgen Engler. Till Schröder steuert ein Komplett-Verzeichnis der originalgrafischen Beilagen der Zeitschriftsgeschichte bei. Und auch diese ist für das 250. Heft ganz besonders und gleichsam mit einem Jubiläum verbunden: dem meisterlichen Stich Il bulino von Baldwin Zettl, dem wiederum Redaktionsmitglied Jens-Fietje Dwars zum 80. gratuliert und dankt. Die Ausgabe enthält außerdem im ABC der Druckkunst einen weiteren Beitrag, der sich dem Siebdruck widmet, sowie im Serviceteil eine illustre Folge Rezensionen sowie Nachrichten und Neuigkeiten für den Bücherfreund. Was bleibt noch zu sagen ...? Auf die nächsten 250 Hefte!

(André Schinkel)

Di, 12.09.2023

"Wovon man spricht, das hat man nicht", erschienen als Jahresgabe der PG im Mitteldeutschen Verlag.
Das Grab des geehrten Dichters der Frühromantik in Weißenfels. | © by Doris Antony (via CC BY-SA 3.0)
Der Autor und Kritiker Albrecht Franke aus Stendal.

Forever Young, oder: Niemals alt. Ein Buch für den Dichter Novalis

Für Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg), einen der wichtigsten Romantiker und Erfinder der „Blauen Blume“ (1772–1801), könnte das fast [nach dem ikonischen Alphaville-Song/ Album von 1984] zum Klischee gewordene „Forever Young“ gelten. Er ist im Gedächtnis geblieben als der junge Mann, als den ihn das berühmte Porträt zeigt. Dabei klingen seine Texte, denken wir nur an die Hymnen an die Nacht oder den Roman Heinrich von Ofterdingen, immer gewichtig, geprägt wie von Altersweisheit. Dennoch benannte sich in den 1970er Jahren eine Rockband nach ihm, setzte seine Verse in Musik, zum Beispiel jenes berühmte Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren … Immer wieder erweist sich der trotz seines fragmentarischen, seltsam rauen und zerspaltenen Werkes Frühvollendete als Stichwortgeber und Anreger für die Gegenwart.

Das geschah auch 2022. Es galt, an den 250. Geburtstag des Dichters zu erinnern. Darum baten das Literaturhaus Halle und dessen Leiter, Alexander Suckel, „befreundete Kolleginnen und Kollegen, Gäste des LHH in den letzten Jahren … Texte, zu verfassen.“ Ziel sei eine Auslotung des „Kosmos“ Novalis, indem seine Poetik von unterschiedlichen Stimmen sozusagen ins Heute transponiert würde. Der thematische Ansatz „Wovon man spricht, das hat man nicht“ zeigt die ironische Seite Novalis’, denn in den Dialogen [postum 1802], woher das Zitat stammt, sprechen die Gesprächspartner vom Wein und vom Verstand. Das Vorwort führt den Leser instruktiv ins Buch ein, erklärt, in Anlehnung an Bert Brechts eigentümliches Gedicht Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin [1929, zuletzt in den Ausgaben der Kalendergeschichten ab 1949], dass die Autoren sich ebenfalls nützten, indem sie Novalis ehren, wie einst die Teppichweber Lenin. 

Die Autoren, man kann sich über sie am Ende des Buches informieren, sind in der Reihenfolge ihres Auftritts: Karl-Heinz Ott, Clemens Meyer, Jens Jessen, Torsten Schulz, Martin Becker und Greta Taubert, Eike Goreczka und Katrin Schumacher. Damit sind verschiedene Genres und Herangehensweisen, Ausdeutungen, Bezüge garantiert, die ein abwechslungsreiches Lesevergnügen bescheren. Vergnüglich auch der wie in Schreibschrift gehaltene Novalis-Bezug, dem Erzählung, Essay, Reminiszenz usw. folgen. Nur am Buchende wird das Prinzip einmal durchbrochen, indem (aus dem Kunstprojekt Gast – Portrait – Antwort des Literaturhauses) eine Radierung von Sven Großkreutz mit einem kurzen Text von Katrin Schumacher „beantwortet“ wird – es ist dies eine der schärfsten, prägnantesten „Begegnungen“ mit Novalis, deren Zeuge man im Buch werden kann.

Man sollte dieses Buch nicht lesen, wie man sonst liest. Ich empfehle, das Inhaltsverzeichnis aufzuschlagen und sich von den Titeln der Beiträge gefangen nehmen und in eine romantisierte und poetisierte Welt führen zu lassen: Zu Krautrock und Hydrogeologie, um in Erinnerungen an die Band Novalis zu gleiten. Durch eine Verklärte Nacht zu fahren, in einer seltsamen Kutsche, wo aus einem Tintenklecks doch noch die Blaue Blume wird. Dann eine Liebeserklärung an Novalis zu lesen, die nicht dem hübschen jungen Mann gilt, sondern einem Dichter, dem wir eine „Entlarvung Goethes“ verdanken. Man kann nachempfinden, wie sich einem heutigen Schriftsteller Zugänge zu Novalis erschlossen oder von einer sehr gut zu lesenden philosophischen und literarischen Ausdeutung Novalis’ bereichert werden, obwohl deren Titel vom Nichtssuchen, sattem Herzen und leerer Welt spricht. Oder ganz in der Gegenwart ankommen beim Heimischwerden und doch sehnsuchtsvoll Fremdbleiben einer Familie, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen ist, deren Begleiter man als Leser wird. 

Und: Die Notwendigkeit der „Poetisierung“ vorgeführt zu bekommen und begreifen zu lernen; Worte zu lesen, die man sich angesichts eines desolaten Welt- und Umweltzustands ins Notizbuch übertragen sollte: „Mit der Poesie können wir in der Trauer um das Aussterben die Freude an der Lebendigkeit entdecken. […] Mit dem poetischen Blick können wir diese große Liebesbeziehung wahrnehmen, sie ästhetisieren und zelebrieren – und uns damit für die bevorstehende Traurigkeits-epidemie rüsten.“ Das hätte wohl auch Novalis unterschrieben und vielleicht sein Siegel darunter gesetzt. Es lohnt sich der Besuch in der Novalis-Welt und der seiner Nachfolger, die seine Gedanken aufnehmen und zeigen, dass sie alles andere als „längst vergangen“ sind, sondern wie gemacht für uns und die Gegenwart. Die Blaue Blume der Romantik wird genauso wenig alt wie ihr Erfinder. 

Das Buch ist von einer Schönheit der Buchgestaltung, wie sie leider selten geworden ist heutzutage. Man bekommt die Blaue Blume zu fühlen, wenn man es in die Hand nimmt. Denn die Buchdeckel sind davon übersät. Doch damit nicht genug: Der hallesche Grafiker und Maler Sven Großkreutz schuf eine Radierung von Novalis, die man auf der Seite 108 findet. Und es liegt dem Buch ein weiteres Novalis-Motiv des Künstlers als Originalabzug bei, als Jahresgabe der Pirckheimer-Gesellschaft. Diese liebt, so ihr Leitgedanke, Bücher und Graphiken ... alles, was schön ist. Mit diesem Buch hat sie sich selbst, den Romantikbegeisterten, jedem Bücherfreund ein Geschenk gemacht. (Wovon man spricht, das hat man nicht. Neue Texte zu Novalis, hrsg. vom Literaturhaus Halle, für die Mitglieder der Pirckheimer-Gesellschaft mit einer Radierung von Sven Großkreutz. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2023, Hardcovereinband, 114 S., ISBN 978-3-96311-752-7, 16 Euro.)

(Albrecht Franke)