Pirckheimer-Blog

Nachruf

Sa, 28.01.2023

Elfriede Weidenhaus: "Heilige Nacht", aquarellierte Radierung, o. J. | © www.grafikbrief.de

Trauer um Elfriede Weidenhaus

Über Klaus Rödel und den FISEA-Newsletter erreichen uns traurige Nachrichten: Bereits zum Beginn des Jahres starb die gerade in den Kreisen der Exlibris-Sammler und -Freunde beliebte Künstlerin Elfriede Weidenhaus (1931–2023). Der Rundbrief bringt den vollständigen Nachruf von Dr. Leo Fiethen, aus dem hier auszugsweise zitiert sei: „Sie war eine der produktivsten Grafikerinnen Deutschlands, der DEG über lange Jahre eng verbunden. Nun ist sie, noch bis wenige Tage vor ihrem Tod schöpferisch aktiv, in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 2023 im hohen Alter von 91 Jahren verstorben. Elfriede Weidenhaus wurde am 09.09.1931 in Berlin geboren. […] 1947 begann sie ein Studium an der Leipziger Kunstgewerbeschule. Max Schwimmer wurde ihr wichtigster und prägender Lehrer. […] 1953 übersiedelte sie in die Bundesrepublik […] 1990 verlegte sie ihren Wohnsitz von Stuttgart nach Erkenbrechtsweiler auf der Schwäbischen Alb, wo sie bis zu ihrem Tode lebte. Einen Schwerpunkt ihres buchschöpferischen Werkes bildet die Illustration klassischer Texte, herausgegeben als luxuriöse Handpressendrucke in geringer Auflagenhöhe [ab 1990 in der eigenen Zikadenpresse Erkenbrechtsweiler]. Die Anzahl ihrer Zeichnungen und Aquarelle ist außergewöhnlich hoch. […] Überliefert sind, und damit komme ich auf meine Anfangs-Bemerkung über ihre Produktivität zurück, mehr als 1.000 Lithografien und Radierungen.“ Grafiken von Elfriede Weidenhaus sind u. a. auf www.grafikbrief.de (O-Ton Wolfgang Grätz: „Da ist eine Große gegangen ...“) sowie auf www.art-exlibris.net eingestellt und einzusehen. 

(André Schinkel/Pressemitteilung)

Fr, 23.12.2022

Eckehart SchumacherGebler (1934–2022)
Zuletzt erschienen bei SchumacherGebler Haiku von Uwe Claus mit Zeichnungen von Olaf Stoy.

Ein Held für das Buch: Trauer um Eckehart SchumacherGebler

Als hätte das üble Schnitterjahr den Schlund noch immer nicht voll genug: Nunmehr ist auch der Tod von unserem Pirckheimer-Freund Eckehart SchumacherGebler zu beklagen. Der Drucker, Büchermacher und Honorarprofessor für Buchdruck an der Hochschule der Bildenden Künste Saar starb am 17. Dezember im Alter von 88 Jahren. Das vermeldet der Verein für die Schwarze Kunst e. V. aus Heidelberg in einem berührenden Nachruf. Er schreibt:

„Es gibt oder gab Menschen, bei denen sich der Gedanke an die Vergänglichkeit des Lebens nicht einstellen will, ohne die man sich eine, ‚seine Welt‘ nicht vorstellen mag. Sie schienen schon immer da zu sein und waren bis ins hohe Alter von scheinbar unbeugsamer Schaffenskraft. Eckehart SchumacherGebler war ein solcher Mensch. Bis zuletzt trieb ihn seine Leidenschaft für die Schwarze Kunst um, nahm er an Veranstaltungen teil wie der Verleihung des Gutenberg-Preises an ihn im Juni, oder er war auf Schriftsuche und fuhr vor allem immer wieder zwischen Bad Tölz und der Offizin Haag-Drugulin in Dresden hin und zurück.

Nun, nach 88 Jahren, hat seine Reise am 17. Dezember geendet, und die Gemeinde um die Schwarze Kunst wird sich ohne ihn weiter für den Erhalt und die Förderung des Buchdrucks einsetzen müssen. Der ‚Verein für die Schwarze Kunst‘ verdankt Eckehart SchumacherGebler nicht nur seine Existenz, sondern sein Wirken für den Erhalt und die Förderung des handwerklichen Buchdrucks hat uns, wie viele weitere Menschen, inspiriert und neue Zuversicht für unser Engagement vermittelt. Seine antreibende Schaffenskraft, sein enormes Wissen und sein geschulter, überaus präziser ‚typographischer‘ Blick werden uns – neben dem Menschen selbst – sehr fehlen. Sein Erbe aber werden wir bewahren.“

Die Verdienste Eckehart SchumacherGeblers sind in der Tat schwer zu überschauen. So rettete der aus einer süddeutschen Druckerfamilie Stammende nach der Wende die 1829 in Leipzig gegründete Druckerei Offizin Haag-Drugulin, deren Abwicklung und Umwidmung in ein Versandhaus drohte. SchumacherGebler gilt als Bewahrer unzähliger Bestände der Druckerei wie des DDR-Schriftbetriebs. Im Jahr 1994 gründete SchumacherGebler schließlich das Museum für Druckkunst in der Leipziger Nonnenstraße und rief die Leipziger Typotage ins Leben. Bereits 1997 erhielt er für seine überaus wirksame Arbeit den Antiquaria-Preis

Außerdem betrieb SchumacherGebler in Dresden eine Druckerei mit dem Namen Offizin Haag-Drugulin, ein Studio für Typografie sowie einen Verlag. Die Offizin Haag-Drugulin arbeitete noch im Handsatz und im Monotypesatz. In Verlag und Druckerei erschien u. a. Bücher zu Hans und Lea Grundig sowie die Bände Dresdner und anderer renommierter Autoren, darunter Michael Wüstefeld, Franz Hodjak und Richard Pietraß. Der jüngste Band, die Haiku-Sammlung Vokabeln des Lichts des Dresdner Dichters Uwe Claus mit Zeichnungen von Olaf Stoy, hatte am 6. Dezember Premiere. Die Welt der Bücherfreunde verliert einen ihrer wirksamsten Streiter.

(André Schinkel/Pressemitteilung) 

Do, 15.12.2022

Wulf Kirstens Band "flurgänger" erschien 2019 mit Grafiken von Susanne Theumer bei Thomas Reche.

Trauer um Wulf Kirsten

Die Verluste in diesem in vielerlei Hinsicht atemnehmenden Jahr sind groß – am 14. Dezember 2022 starb in Bad Berka mit Wulf Kirsten eine der bedeutenden Dichtergestalten unserer Zeit. Der einzigartige „Landschafter“, der sich mit seinen Gedichten, Erzählungen und Essays wie auch als Herausgeber von akribischer Genauigkeit und Weitsicht und große Gestalt des gesamtdeutschen Literaturbetriebs einen bleibenden Namen machte, wurde 1934 im sächsischen Klipphausen geboren, sein Lebensmittelpunkt war für viele Jahre die Klassikerstadt Weimar. Für sein Werk, das ab Ende der sechziger Jahre entstand und unter so sprechenden Titeln wie Stimmenschotter (1993), Wettersturz (1999), Die Prinzessinnen im Krautgarten (2000) oder Erdanziehung (2019) erschien, wurde Kirsten mit großen Ehrungen wie dem Huchel-, dem Breitbach- oder dem Ringelnatz-Preis sowie dem Ehrendoktorat der Universität Jena ausgezeichnet. Zuletzt erhielt der Autor, der zugleich Mitglied zahlreicher Akademien und Künstler-Sozietäten war, 2015 den Thüringer Literaturpreis. Im Freistaat begründete er in den 1990ern zunächst die Thüringen-Bibliothek und im Anschluss die bis heute existierende Edition Muschelkalk, die im Wartburg-Verlag erscheint. Auch im bibliophilen Bereich publizierte Kirsten immer wieder. Mit Susanne Theumer etwa verband ihn eine kongeniale Künstler*innen-Freundschaft, die sich in mehreren gemeinsamen Projekten niederschlug, so 2014 in was ich noch sagen wollte, herausgegeben von Jens-Fietje Dwars, und im wuchtigen Text-Bild-Band flurgänger, der im Verlag von Thomas Reche erschien. Die Literaturwelt trauert um einen unbestechlichen Dichter von Rang.

(André Schinkel)

Di, 13.12.2022

Wolf Erlbruch (1948–2022) ǀ © Françoise Saur

Trauer um Wolf Erlbruch

Wolf Erlbruch ist tot. Der international hochrenommierte Illustrator, Kinderbuchautor und Hochschullehrer starb am 11. Dezember im Alter von 74 Jahren in seiner Geburtsstadt Wuppertal. Um 1980 begann Erlbruch zu illustrieren, ab 1985 erschienen auch eigene Bücher. Sein größter Erfolg, Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat (Wuppertal 1989, mit Werner Holzwarth), reüssierte zum Best- und Longseller, wurde in 27 Sprachen übersetzt, verfilmt und vertont. Immer wieder gelangen ihm mit eigenen Texten ähnliche Erfolge, so mit Ente, Tod und Tulpe (München 2007), auch seine Kalender und Kartenserien sind Dauerbrenner. Für sein Werk wurde er, dessen Sohn Leonard Erlbruch ebenfalls Illustrator ist, vielfach geehrt. Der Peter Hammer Verlag, mit dem Erlbruch viele Jahre verbunden blieb, trauert um seinen maßgeblichen Künstler: „Der Verlag verdankt Wolf Erlbruch unendlich viel.“

(André Schinkel)

Sa, 12.11.2022

Ursula Paschke und Esteban Fekete.
In der Edition Anonyma erschien auch Ursula Paschkes Verzeichnis der Werke Esteban Feketes.

Trauer um Ursula Paschke

Am heutigen 12. November findet in Augsburg die Trauerfeier für Ursula Paschke (1934–2022) statt, die am 5.11. im Stadtteil Inningen am Südrand der drittgrößten bayerischen Metropole verstarb. Die gebürtige Düsseldorferin betrieb mehrere Jahrzehnte (1971 bis 2008) die Edition Anonyma in Mülheim an der Ruhr, wo sie lange lebte. In der Edition betreute sie exklusiv einen Großteil des Werks von Esteban Fekete (1927–2009), mit dem sie bis zu seinem Tod eng befreundet war, auch dokumentierte sie seine Arbeit im Anlegen eines Werkverzeichnisses, von dem Ursula Paschke die Bände 2 bis 4 herausgab und mithin zur Zeugin des bewegten Lebens dieses bedeutenden Holzschneiders wurde. Aus den gegenseitigen Besuchen in Deutschland und Irland (in dem Fekete eine späte Herzens-Heimat fand) resultieren eine Reihe Bücher und Reiseberichte (For sale etwa), auch berichtet die Editorin immer wieder in Aufsätzen, Vor- und Nachworten sowie Vorträgen vom Werk und Treiben des Künstlers, hielt Kontakt zu seinen Sammlern und zur zur Wahrung seines Œuvres und Andenkens gegründeten Fekete Stiftung in Roßdorf bei Darmstadt. Ihre Angehörigen widmen sich der Verstorbenen mit einer berührenden Traueranzeige, die einen kleinen Einblick in das unermüdliche und fürsorgliche Schaffen Ursula Paschkes gibt. In einer der nächsten Ausgaben der Marginalien erscheint mit Erinnerungen an Fekete im Übrigen ein Aufsatz unserer Mitglieder Christiane und Norbert Grewe, in dem auch Ursula Paschke noch einmal die ihr gebührende Würdigung erfahren wird.

(André Schinkel)

Sa, 13.08.2022

Im deutschsprachigen Raum wurde Sempés Zusammenarbeit mit Patrick Süskind berühmt.

Trauer um Jean-Jacques Sempé

Am 11. August starb, nur wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, der große französische Zeichner und Karikaturist Jean-Jacques Sempé. Geboren 1932 in Pessac, wurde er an der Seite von René Goscinny als Erfinder des Kleinen Nick weltberühmt. Die Geschichten des kleinen Nicholas, die letztlich immer gut ausgehen und somit auch als kreative Umdeutung der eigenen bedrängten Kindheit Sempés dienlich sein konnten, werden bis heute mit ungebrochenem Erfolg aufgelegt. Auch seine Karikaturen, seit Ende der Fünfziger in Zeitungen wie Journalen und seit 1960 nahezu jährlich in einem Band erscheinend, prägten Generationen. Im deutschsprachigen Raum durch den wundersamen Diogenes-Verlag mit Sitz in Zürich vertreten, geriet Sempé zu einem wenigstens europäischen Phänomen. Auch wenn er sich ansonsten mit dem Illustrieren der Werke anderer Schreiber zurückhielt, sind diese Beispiele besonders berührend. So gab er 1988 dem Kinderbuch Catherine Certitude des späteren Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano ein ganz eigenes Gepräge. Legendär ist Sempés Freundschaft mit Patrick Süskind, für dessen so rätselhafte wie begeisternde Novelle Die Geschichte von Herrn Sommer (1991)) sich die beiden zusammentaten. Auch aufgrund der kongenialen Zuarbeit Sempés ist dieses Buch ein Highlight in Süskinds so schmalem wie gewichtigem Erzählwerk. Im Gegenzug übersetzte Süskind einen Teil seines Werks und trug so zu dessen Verbreitung im deutschsprachigen Raum bei. „Mensch zu sein erfordert enorm viel Tapferkeit“ – in Frankreich galt Sempé im besten Sinne als Nationalheld. Seine letzte Karikatur, erst vor einigen Tagen erschienen, zeigt ein älteres Paar und, quasi als vorgeschicktes Memento mori, den Satz: „Denk daran, mich nicht zu vergessen!“ So sei es.

(André Schinkel)

So, 24.07.2022

Binette Schroeder: "Herr Grau & Frieda Fröhlich", Zürich 2021.

Trauer um Binette Schroeder

Bereits am 5. Juli starb mit Binette Schroeder (1939–2022) die – wie es ihr Mann Peter Nickl, mit dem sie viele gemeinsame Projekte verwirklichte, im Verbund mit Christian Raabe treffend formuliert – „Grand Dame der deutschen Bilderbuchillustration“. Ihre Bücher, beginnend mit dem legendären Erstling Lupinchen von 1969, verhalfen Schroeder zu internationalem Ruhm und wurden in vielen Ländern, flankiert von zahlreichen Ausstellungen, verlegt. Nach dem Studium in München und Basel entdeckte der Verleger Dimitri Sidjanski ihr großes Talent, seinem NordSüd-Verlag mit Sitz in Zürich blieb sie zeitlebens verbunden. Weiterhin erschienen ihre Werke bei Ellermann, Thienemann und Weitbrecht oder bei Walker Books in London. Binette Schroeder arbeitete unter anderem zu Michael Ende, viele ihrer Bücher wurden zu großen Erfolgen und mit zahlreichen Auszeichnungen wie dem Troisdorfer Bilderbuchpreis und dem Deutschen Jugendliteraturpreis geehrt. 2021 erschien von ihr Herr Grau & Frieda Fröhlich bei NordSüd. Ein letztes Bilderbuchprojekt, teilt Peter Nickl mit, muss nun unvollendet bleiben. Um die Pflege ihres Werks kümmern sich die Binette Schroeder Stiftung und die Stiftung Internationale Jugendbibliothek, die der Künstlerin ein eigenes Kabinett widmete. Und mit zauberhaften Werken wie Laura, LelebumDie Schattennähmaschine, Krokodil Krokodil oder dem viel diskutierten Froschkönig bleibt Binette Schroeder, bekannt für ihren sprühenden Humor und selbst leidenschaftliche Sammlerin von Bilderbüchern, auf berührende Weise in Erinnerung.

(André Schinkel/Pressemitteilung)  

Mo, 18.07.2022

Herbert W. Franke (1927-2022) auf der Transmediale 2010 ǀ © Shervin Afshar (CC BY-SA 3.0)

Abschied von Herbert W. Franke

Die europäische Kulturszene trauert um einen einzigartigen Pionier der Medienkunst, einen – was im Zeitalter der galoppierenden Fächerverengung allein schon Aufsehen erregt – universell Gelehrten und Tausendsassa, der als Wissenschaftler, bildender Künstler und Schriftsteller (sowie durchaus in steter Bereitschaft, diese Kosmen zu mischen) bis ins hohe Alter aktiv blieb und den Diskurs mitbestimmte. Am 16. Juli starb in seiner oberbayerischen Wahlheimat Herbert W. Franke, wenige Wochen nach seinem 95. Geburtstag.

1927 in Wien geboren, studierte Franke Physik, Chemie und Mathematik, Psychologie und Philosophie, begründete die Ars Electronica mit, lehrte in München, forschte zur Elektrotechnik, zu KI, zur Höhlenkunde, zur Tropfstein-Datierung ... Vor allem aber gilt er als „Dinosaurier“ der Computerkunst und -grafik. 1970 war er mit einem Siebdruck auf der Biennale vertreten. Ungezählt seine Bücher: Science-Fiction-Romane und -Erzählungen, Aufsätze, Gedichte. Seine letzte Aktion war der digitale Abverkauf seiner Serie Math art am 1. Juni, ganze 30 Sekunden brauchte er dafür. Zuvor hatte Franke, sich damit als einer der Vordenker des Metaverse erweisend, mit seiner Frau Susanne Päch in den 2000ern auf der Plattform Active Worlds die Z-Galaxy eröffnet, einen multimedialen Raum für Kunst.

Dort wie im Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe wird nun sein Vermächtnis gesammelt, bewahrt und für die Nachwelt von der Umtriebigkeit wie dem Geistesreichtum von Herbert W. Franke künden. Eine ausführliche Würdigung der Bedeutung Frankes als „philosophischer Fixstern“ für die westdeutsche utopische Literatur nach 1950 durch Norbert Grewe ist im Übrigen zu finden im 245. Heft (2022/2) der Marginalien, der Zeitschrift der Pirckheimer-Gesellschaft.

(André Schinkel)

Di, 05.04.2022

Joachim Pohl (Foto: ad)

Joachim Pohl (1947 - 2022)

Der Pirckheimer Joachim Pohl, von vielen als eine "Kunstinstitution in Pankow" bezeichnet, ist kurz nach seinem 75. Geburtstag nach langer Krankheit verstorben.

Joachim Pohl begann nach dem Abitur am Friedrich-List-Gymnasium und dem gleichzeitigen Abschluss einer Lehre als Betriebsschlosser 1966 ein Studium der Germanistik und Kunsterziehung an der Humboldt-Universität. Seit Mitte der 60er-Jahre war Pohl aber auch selbst künstlerisch tätig. Als Diplomfachlehrer für Kunsterziehung arbeitete er dann bis 1975 an der Wilhelm-Pieck-Oberschule, dem heutigen Rosa-Luxemburg-Gymnasium.

Es folgten zwei Jahre als freischaffender Kunstwissenschaftler, Kurator, Publizist und Maler. 1977 begann als Galerist zu arbeiten. Er wurde Leiter der Galerie am Prater in Prenzlauer Berg. In dieser Eigenschaft setzte er in der DDR-Hauptstadt Akzente.

In den Wendejahren war er Mitbegründer des Kunstvereins Pankow. Seine Galerie, die er seit Juni 1993 betrieb und in der auch die Berlin-Brandenburger Regionalgruppe einige ihrer bibliophilen Abende erlebte, wird seit dem März 2019 von Andreas Wolf und Archi Galentz weitergeführt.

Zuletzt erlebten wir ihn mit einem Vortrag zu seinem Sammelgebiet von Popart-Graphik, die er u.a. zum Jahreswechsel in einer Ausstellung in den Pankower Rathauspassagen zeigte.

Seine Beisetzung findet am 13. April statt.

Mo, 29.11.2021

Exlibris für Heinz Decker von Andreas Raub, "In Memoriam unserer jüdischen Mitglieder", 2015, Radierung

Heinz Decker (1933 - 2021)

Noch auf der letzten DEG-Jahrestagung in Haltern trat Heinz Decker so auf, wie man ihn seit Jahrzehnten kannte – freundlich, hilfsbereit, großzügig, warmherzig, klug und voller Humor. Allenfalls ungewöhnlich erschien sein neuer ständiger Begleiter, ein Rollator, mit dem er jedoch gelernt hatte, seinen Frieden zu machen. Als (nach Lebensjahren) ältestes anwesendes Vereinsmitglied leitete er in der Hauptversammlung im Rahmen der Vorstands-Neuwahlen traditionsgemäß die Wiederwahl des „alten“ Präsidenten. Heinz war insgesamt positiv gestimmt, blickte optimistisch in die nahe Zukunft und verfasste nach dem Meeting einen teils launigen und doch so wohlwollenden Tagungsbericht. Umso größer war die Bestürzung in der Exlibriswelt, als sie die Nachricht seines Todes erhielt.

Vergleichsweise spät, mit fast 60, trat Heinz 1992 der DEG bei. Und obwohl er dem Vereinsleben eigentlich immer kritisch gegenüberstand, legte er in der DEG von Anfang an los, fungierte von 1993 bis 2000 als Rechnungsprüfer und von 2000 bis 2012 als Redakteur des DEG-Jahrbuchs, im Anschluss wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Nach 16-jähriger Vorstandsarbeit kandidierte er 2016 nicht mehr für einen Vorstandsposten, wurde aber bis 2020 in den Beirat berufen. Parallel dazu betreute er von 2012 bis 2019 noch die Homepage der Gesellschaft.

Als Sammler galt sein Interesse vor allem Bücherzeichen, die mit der Schriftstellerei zu tun hatten und mit Theaterkunst. In diese Richtung gingen auch viele Aufträge, die er als Eigner an Künstler und Künstlerinnen, gerne an junge, noch unbekannte, vergab. Und das waren auch bevorzugte Themen seiner eigenen zahlreichen Schriften – aber nicht nur. Er schrieb Bücher über Dichterexlibris und Dichterzirkel ebenso wie Werke über Totentänze oder die deutsche Exlibriskunst vom Jugendstil bis zur Gegenwart. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen gehörte sicher das DEG-Jahrbuch 2004 über „Jüdische Kultur und Exlibriskunst“. Heinz verfasste unzählige Aufsätze und Artikel über Exlibris und Gelegenheitsgrafiken für die einschlägigen Publikationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, England und Amerika, auf Deutsch und Englisch (bei Letzterem halfen ihm seine langjährigen Berufserfahrungen als Dozent am University College in Dublin und am Frankfurter Goethe-Gymnasium) – stets sachlich-kompetent und wissenschaftlich fundiert, trotzdem populär verständlich und mit humorigen Einfügungen.

2016 verlieh ihm die DEG in Würdigung seiner heraus-ragenden Verdienste um die Exlibrisbewegung die Walter-von-Zur-Westen-Medaille. 2020 ernannte sie ihn wegen seiner großen Verdienste um das Exlibris und die DEG zu ihrem Ehrenmitglied.

Wir verlieren mit Heinz Decker, der am 27. November 2021 im Alter von 88 Jahren verstarb, einen überaus wertvollen Mitarbeiter auf allen Ebenen und Helfer in allen möglichen Situationen, aber vor allem einen guten Freund. In seinen Schriften und in seinen Exlibris wird er unvergessen bleiben.

Mit unseren Gedanken sind wir bei seiner Frau und seiner Familie und fühlen mit ihnen.

(Henry Tauber)

Mo, 14.06.2021

Detlef Thursch auf der letzten realen Antiquariatsmesse Leipzig 2019, Foto © Ursula Saile-Haedicke

Detlef Thursch (1952 - 2021)

"Heute erreichte mich die furchtbare Nachricht vom Tod meines lieben Kollegen Detlef Thursch.

Er war Veranstalter der Antiquariatsmessen von Düsseldorf, Frankfurt, Leipzig und vieler weiteren großer und kleiner Veranstaltungen. Bei ihm habe in Düsseldorf das erste mal an einer Antiquariatsmesse teilgenommen und noch vor kurzen sprachen wir darüber, dass es mit dem Antiquariatstag in Hamburg bald endlich wieder losgeht. Man konnte prächtig mit ihm zechen und streiten und ich werde ihn, dem unseren Branche, aber auch ich persönlich vieles verdanke, sehr vermissen.

Du hast „deinen Stand viel zu früh abgebaut“ lieber Detlef.

Mein Mitgefühl gilt seiner Frau und seinen Söhnen und allen denen er Freund war."

(Michael Solder)

Do, 29.04.2021

Ursula Lang, 2015, Foto © Ralf Parkner

IN ERINNERUNG AN URSULA LANG

Am 5. April starb Ursula Lang im Alter von 85 Jahren. In einem wichtigen Lebensabschnitt stand sie unerschütterlich an der Seite des Kunsthistorikers, Buchautors und Redakteurs Lothar Lang. Als Pädagogin war sie eine Freundin der bildenden Kunst; sammelte in bescheidenem Maße Grafik und Malerei. Auch später war sie freundschaftlich verbunden mit zahlreichen Künstlern, Gerhard Altenbourg, Dieter Goltzsche, Marlene Magnus, Max Uhlig, auch mit dem Schriftsteller Volker Braun. Schon vor einigen Jahren übereignete sie einen besonderen Teil ihrer umfangreichen Kinderbuchsammlung und ihre Sammlung von Neujahrsgrüßen der Staatsbibliothek Unter den Linden.

In mehr als 15 Jahren stand Ursula Lang an der Spitze der Regionalgruppe Berlin/Brandenburg mit den bewährten preußischen Tugenden: Disziplin und Pflichtbewusstsein, Fleiß und Ordnungsliebe. Den Widrigkeiten des Wegs von ihrem Wohnort Beeskow (Spree) trotzte sie mit Gelassenheit. Ihre langjährigen Kontakte zu Institutionen und Persönlichkeiten beförderten das breite Spektrum der Themen in den Jahresprogrammen. Das Moderieren der bibliophilen Abende im im regionalen Zentrum Berlin erforderte viel Umsicht und vorbereitende Kleinarbeit, die meist im Verborgenen blieben. Außerordentlich sind ihre Beiträge für die Marginalien. Das Register der Hefte 151–235 (1998–2019) weist 38 kürzere Berichte über die monatlichen Veranstaltungen und 120 größere Textbeiträge zu Themen ihrer speziellen Interessen und Vorlieben aus.

Wir betrauern ihren Tod nach langer schwerer Krankheit. Die freundliche aufgeschlossene Art wird allen Mitgliedern, die sie seit Jahrzehnten kannten, lange und dankbar in Erinnerung bleiben.

(Robert Wolf)

Do, 03.10.2019

Eduard Prüssen 2013 im Wohnzimmer seiner Kölner Wohnung. Foto: Matthias Haberzettl
Exlibris für die Klemke-Sammlung Matthias Haberzettl, 2011

Eduard Prüssen (1930 – 2019)

Eduard Prüssen – „ne echte kölsche Jung“, der so gar nichts für den Karneval übrig hatte, wie er einmal mir gegenüber erwähnte. Genauso wenig wie für Computer – die ihn in seiner kreativen Arbeit nur behindern und ablenken würden. Zeit seines Lebens schuf er also nur mit seinen Händen – mit Zeichenstift und Pinsel, mit (Linolschnitt-) Messer und (Radier-) Nadel ein beeindruckendes Werk.

Beginnend in den Fünfziger Jahren als angestellter Grafiker zuerst beim Rautenstrauch-Joest-Museum und dann beim Amerika-Haus in Köln riskierte er bald den Schritt in die Selbständigkeit; es folgten Presseillustrationen ab 1962 sowie erste Buchillustrationen ab 1964. Und schon im März 1962 erschien die erste Nummer der Hauszeitschrift „Donkey-Post“ – einhergehend mit der Etablierung seiner Donkey-Press, in der von 1967 („Babrios Fabeln) bis 2015 („Arlecchino und Arleccinetta“) insgesamt 61 wunderbare Pressendrucke erschienen.

Eduard Prüssen und seine Frau Illa lernte ich erst 2011 kennen, bei einer Führung durch meine Werner-Klemke-Ausstellung in Bergisch Gladbach. Von Beginn an war ich beeindruckt von seinem herz­lichen, freundlichen Wesen; schnell entwickelte sich eine Freundschaft, auf die ich immer stolz war. Noch im selben Jahr schuf er ein Exlibris für meine Klemke-Sammlung.

Kurz davor, im Jahr 2010, übergab Eduard Prüssen seinen künstlerischen Vorlass der Universitäts- und Stadtbibliothek in Köln. Dank der engagierten Mitarbeiter unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, des damaligen Direktors der USB Köln erschien ein umfassendes Werkverzeichnis: „Die Sammlung Eduard Prüssen in der Universitäts- und Stadtbibliothek in Köln. Gesamtverzeichnis Juli 2013“.

Im November 2015 stellte ich für das Literaturhaus in Immenstadt eine Ausstellung mit dem Schwerpunkt Eduard Prüssen zusammen; sein Faust-Zyklus, 2012 als 57. Druck der Donkey-Press erschienen, nahm eine komplette Längswand ein.

In den letzten Jahren widmete er sich vorwiegend großformatigen Farbstiftzeichnungen. Eine umfangreiche Auswahl davon war in der Ausstellung im November 2015 zu sehen, die die Stadt Bergisch Gladbach zu seinem 85. Geburtstag ausrichtete  Gewürdigt wurde hier auch seine Tätigkeit als „Stadtgrafiker“, die er für ein volles Vierteljahrhundert, von 1971 bis 1996, ausübte – zuständig für das gesamte grafische Erscheinungsbild der Stadt, vom Briefkopf der Amtsschreiben bis zum Theaterplakat, vom „Logo“, dem berühmten „Wollknäuel“ bis zum Stadtwappen.

Der große Kölner (Buch-) Künstler, seit dem Frühjahr 2017 ein Mitglied der Pirckheimer-Gesellschaft, verstarb am 2. Oktober, nur vier Wochen vor seinem 89. Geburtstag, in einer Kölner Klinik; nach einem schweren Sturz wenige Tage vorher in seiner Kölner Wohnung, in der er bis zuletzt – fit an Körper und Geist – künstlerisch tätig war.

(Matthias Haberzettl)

Di, 30.07.2019

Joop Visser (1938 - 2019)

Joop Visser, Sänger, Poet und Drucker aus Easterlittens in Friesland, ist gestern nach langer schwerer Krankheit gestorben. Alle Hoffnungen, er könnte dem Krebs doch noch irgendwie von der Schippe springen, haben sich leider nicht erfüllt. Nun ist sein Leiden beendet und wir sind tieftraurig in Gedanken bei ihm und seiner Witwe Ludi.

Joop war nicht nur einer der originellsten und innovativsten Künstler innerhalb (und außerhalb) der Handpressenszene, sondern auch noch "eigentlich Musiker", Komponist, Lehrer und vor allem ein großartiger Mensch mit unglaublich viel Mitgefühl, Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Haltung und Humor. Einer, der nicht zu ersetzen ist. Wir werden ihn immer schmerzlich vermissen.

(Marc Berger)

siehe auch: Ein Freigeist der Kunst (25.10.2014)

Fr, 03.05.2019

Theophil Zwang mit einem seiner angefertigten Puzzles, welches nur an Freunde verschenkt wurde, Foto © Michael Eschmann

Theophil Zwang (1924 - 2019)

Der Bucheinbandkünstler Theophil Zwang, geboren am 12.Oktober 1924 in Dresden, ist in der Nacht zum 24. April 2019 in seinem Wohnort Ober-Roden/Rödermark verstorben.

Als Fachlehrer (Bucheinband und Papierverarbeitung) wirkte er in den Jahren 1960 - 1987 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Seine kreativen Einbandgestaltungen belegen, dass Bücher zwei untrennbare Seelen besitzen: Inhalt und Form. Hier setzte er maßgebliche Akzente und darf deshalb als „Meister der Einbandkunst“ ganz im Sinne der modernen Bibliophilie bezeichnet werden. Heute bekannte Buchkünstlerinnen, wie Anja Harms, Uta Schneider, Doris Preußner, Ines von Ketelhodt oder Ulrike Stoltz gehörten zum Kreis der Schülerinnen. Die eigene Einbandsammlung vermachte er dem Klingspor-Museum in Offenbach. Hier wurde bereits am 1. Oktober 2015 mit einer Sonderausstellung an sein berufliches Können erinnert. Ein ausführliches Porträt erschien von Ute Maria Etzold mit dem Titel „Der Buchbinder Theophil Zwang und Die Gurke“ in den Marginalien 217 (2015/1).

(Michael Eschmann)