Thomas Ranft wurde 1945 geboren. Damit gehört er ganz und gar der Nachkriegsgeneration an, was einschließt, daß der Vater im Krieg geblieben war. Rechnet man die ersten Jahre der Kindheit als Inkubationsphase ab, ist der wesentliche Teil seiner Biographie auch vollumfänglich die eines DDR-Bürgers. Das Aufwachsen in einer nahezu idyllischen Umgebung, die Zugehörigkeit zur anthroposophisch ausgerichteten „Christengemeinschaft“ Weimars und die Tätigkeit seiner Mutter als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Goethe-Haus am Frauenplan prägten seinen Intellekt und seine Weltanschauung. Eine Schule, sagt Ranft, habe er eigentlich nicht gebraucht. Sechs Jahre Lehre und Arbeit als Landschaftsgärtner in Weimar und Markkleeberg und ein vierjähriges Intermezzo am Arbeitertheater in Böhlen erbrachten einen Grundstock an Lebenserfahrung. Die anschließenden Jahre des Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst 1967 bis 72 in Leipzig erwiesen sich als der biographische Volltreffer, und auch die Übersiedlung nach Karl-Marx-Stadt sollte sich als Glücksfall erweisen.
„Am Anfang war die Tat.“ Diesem Goethe-Wort folgend, besetzten die jungen Künstler von Karl-Marx-Stadt energisch den fast noch jungfräulichen Kunstraum der Industriestadt, das heißt: Sie nutzten ihre Chance. Die Anfänge wurden von der Suche nach Gleichgesinnten, unter anderem zu diesem Zweck veranstalteten Plenairs (+ Dokumentationen, auf die ihre Macher besonders stolz zu sein scheinen) sowie organisatorischen Aktivitäten beherrscht. Thomas Ranft wurde zum (Pro-) Motor der Bewegung; Initiator und Mitbegründer der Künstlergruppe „Clara Mosch“ und ihrer gleichnamigen Galerie, Vorstandsmitglied der „Galerie oben“ und später, nach der Wende, Initiator des Vereins „Kunst für Chemnitz e.V.“ Die Inbesitznahme und die mit einem gesellschaftlichen Großereignis für Chemnitz verbundene Bestandssicherung des „Heck-Art“-Hauses wären eine eigene Darstellung wert. Künstlerisch wurde Ranft ein Spiritus rector für Osmar Osten, Steffen Volmer, Klaus Hähner-Springmühl, E. Wolfgang Hartzsch, Wolfram A. Scheffler und den „Hilfs-Mosch“ Klaus Süß. (Vgl. Marginalien 222, S. 4.)
„Ich habe mich in der DDR immer frei gefühlt.“ Die wichtigste Episode im Leben Ranfts und der mit ihm eng verbundenen Künstler Carlfriedrich Claus, Dagmar Ranft-Schinke, Michael Morgner und Gregor-Torsten Schade (kurzzeitig Schade-Adelsberg, heute Kozik) hieß „Clara Mosch“. Der Untergang der von Beginn an weit über Karl-Marx-Stadt hinaus einflußreichen Gruppe war für die Staatsorgane der DDR bald eine fest beschlossene und aufwendig durchgeführte Sache. Um „CFC“ kümmerte man sich nicht. Morgner wurde protegiert, Kozik klandestin als Stasi-Spitzel – der er nie war – denunziert; Ranft sollte als Künstler ignoriert und menschlich korrumpiert werden. Seine Bibliographie in Verstecktes Spiel listet demzufolge, allerdings in einer Auswahl, bis 1989 nur fünf Kataloge auf und ganze dreimal „Weiterführende Literatur“ (Lothar Lang, Wolfgang Hütt, Karin Thomas).
(Bernd-Ingo Friedrich, Auszug aus einem bislang unveröffentlichten Artikel)