
STEFFEN VOLMER – SO VIELE LÜGEN, Orig.-Lithografie 1989, Bildformat 42 x 35 cm, Papierformat 53 x 40 cm, Auflage 20 Exemplare, signiert und nummeriert
DDR-GRAFIK
... aus dem 228. Frankfurter Grafikbrief:
"Es geschehen noch Zeichen und Wunder: In renommierten Museen in West-und Ostdeutschland finden 2019 große Übersichtsausstellungen zur DDR-Kunst statt ..., und das ohne Siegerniedertracht wie bei der 1999 von dem Kölner Professor Achim Preiß in Weimar angerichteten Schau „Die Kunst der DDR“, in der DDR- und Nazikunst gleichgesetzt wurde, ein Vorgang, der unter dem Stichwort „Weimarer Bilderstreit“ Eingang ins Internetlexikon Wikipedia gefunden hat. Nicht einmal der ursprünglich aus Dresden stammende Kopfstandmaler wiederholte jetzt seine 1990 getätigte Pauschalverunglimpfung aller in der DDR verbliebenen Künstler: „Alles Arschlöcher“. Für mich war das ohnehin nur Ausdruck der großen Konkurrenzangst vor den neuen ostdeutschen Mitbewerber/inne/n und ihrer malerischen und künstlerischen Qualität – warum sollte es auch in der Kunst anders zugehen als in der Industrie?
Leider verzichten praktisch alle neuen DDR-Kunstschauen auf die Präsentation von Druckgrafik – das finde ich so fatal, dass ich mein Ausstellungsprogramm kurzfristig geändert habe, um diese Lücke zu füllen. Denn die Alltags-kultur der DDR ist nicht angemessen widerzuspiegeln und auch nicht zu verstehen, wenn man nicht die bedeutende Rolle der DDR-Druckgrafik beleuchtet. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in der DDR „Drucksachen“ mit einer Auflage von weniger als 100 Exemplaren nicht der Zensur unterlagen. Ein Bild wie Steffen Volmers Lithografie „So viele Lügen“, 1989 anlässlich der manipulierten Kommunalwahlen entstanden, hätte als großes Gemälde keine Ausstellungschance gehabt, fand als Grafik hingegen sein Publikum. So begibt sich eine Ausstellung ohne Druckgrafik um die Chance ein umfassendes wirklichkeitsgetreues Bild der DDR-Kunst zu zeigen. Druckgrafik stand aus mehreren Gründen in der DDR hoch im Kurs: Thema früher Kulturdebatten in der Arbeiterbewegung war die Frage der Aneignung des „bürgerlichen Erbes“, worunter durchaus auch der Zugang zu originalen Kunstwerken verstanden wurde. Die Druckgrafik bot die Chance, diese Programmatik vergleichsweise unaufwändig umzusetzen und damit auch noch an den deutschen Expressionismus anzuschließen, einer ersten Blütezeit der Druckgrafik in Deutschland, deren Künstler/innen zudem soziales und politisches Engagement in ihr Werk einfließen ließen. Last not least verfügte die DDR mit der Druckgrafik über ein erschwingliches Luxusgut für ihre Bürger, das weder importiert werden musste noch sehr rohstoffintensiv war."
(Wolfgang Grätz)
Ausstellung: 9. November 2019 - 20. Januar 2020
Büchergilde Buchhandlung & Galerie
An der Staufenmauer 9, 60311 Frankfurt