Pirckheimer-Blog

Der Sammler auf Reisen

Mi, 12.01.2022

Fotos © ad

Der Sammler auf Reisen: Rostock

Die Antiquariatsszene in Rostock ist seit meinem letzten Besuch arg geschrumpft, gerade einmal zwei Antiquariate existieren noch in der Stadt: das traditionsreiche Norddeutsche Antiquariat und das Antiquariat Wulff in der Rosa-Luxemburg-Straße 37.

Susanne Thorentz betreibt das 1955 gegründete Norddeutsche Antiquariat inzwischen in der unscheinbaren aber geschichtsträchtigen Buchbinderstraße in einem Eckhaus der von Rostockern und Touristen beliebten Kröpeliner Str. im Stadtzentrum. In dem Haus fand man früher die G.B. Leopold´s Universitätsbuchhandlung.
Mit einem Fahrstuhl ist das Antiquariat in zwei kleinen Räumen in der zweiten Etage erreichbar. Zu DDR-Zeiten war es um ein vielfaches besser gelegen und bot in größeren Räumen seine Bücher an, infolge der seitdem horrend gestiegenen Mieten in dieser stark frequentierten innerstädtischen Fußgängerzone mussten diese Räumlichkeiten jedoch aufgegeben werden. Kulturvermittlung ist halt brotlos und verlangt eine Portion Idealismus.
Schon nach kurzem Gespräch merkt man dieser Antiquarin ein fundiertes Fachwissen an und ihr Engagement zur Erhaltung dieser Nische von Kultur, Literatur und Bibliophilie. In diesem Antiquariat fand sich folgerichtig auch trotz des beengten Platzes eine gerahmte Zeitungsnotiz aus den 50ern über das Norddeutsche Antiquariat, welche sie stolz von der Wand nahm und vorzeigte.
Der Schwerpunkt des Antiquariats, von dem nur ein kleiner Teil in den engen, kleinen Räumen zu finden ist, liegt weniger bei den auch angebotenen teuren, von bibliophilen Sammlern gesuchten Stücken, sondern ist neben Belletristik und illustrierten Büchern Mecklenburgica, Geschichte, Orts- und Landeskunde, Technik, Schifffahrt ...
So z.B. attestierte Walter Kempowski dem Antiquariat, dort "eine jener Schwarten gefunden zu haben, nach denen [... er] in den sechziger und siebziger Jahren vergeblich Ausschau hielt. Jenes Material, das ich für meine Deutsche Chronik so dringend gebraucht hätte."

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Sa, 03.02.2018

Abel Doering, Rudolf Angli, Foto © Andreas Erdmann
Einzeichnung von Elke Rehder in eine Ausgabe des Fischer-Verlags der Schachnovelle
Abel Doering im Gespräch mit Elke Rehder, Foto © Andreas Erdmann

Der Sammler auf Reisen: Hamburg

Mit einem Freund machte ich mich heute nach Hamburg auf, um die Erstausgabe des Kapitals, signiert vom Autor, zu betrachten, um Näheres zur Weltreise der Schachnovelle zu erfahren und um eine Pirckheimerin in ihrem Atelier zu besuchen.

Die Ausstellung im Museum der Arbeit begann mit einer leichten Enttäuschung - das von Karl Marx signierte Exemplar Das Kapital, Bd. 1 wurde, um es vor Licht zu schützen, nach drei Tagen aus der Ausstellung genommen. Der Rest der Ausstellung zeigt neben einem unsignierten Exemplar des Werkes eine Einführung in die Entstehungsgeschichte, den Versuch einer Illustration einzelner zentraler Begriffe, die Rezeption durch Wissenschaft und Kunst und den Einfluss von Marx auf Ökonomie und Philosophie von den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit. Diese Ausstellung ist sicher durchaus geeignet, das Interesse an der Marxschen Kapitalismusanalyse zu wecken, aber mehr sollte (und kann man vermutlich auch nicht) von einer Ausstellung erwarten. Klaus Waschk, Illustrator der deutschsprachigen Ausgabe des Kapital bei Faber & Faber, die natürlich Eingang in die Ausstellung fand, sagte (und dem kann man nur zustimmen), "eine gute Show, jedoch kaum geeignet zum Erkenntnisgewinn".

Dann, bei Verkostung der besten Hamburger Currywurst in der "Trude" ein interessantes Gespräch mit Rudolf Angeli über dessen Idee, aus Anlass des 75jährigen Jubiläums des Erscheinens der deutschsprachigen Ausgabe der Schachnovelle von Stefan Zweig diese auf eine Weltreise zu schicken, wobei diese Reise durch Literaturwissenschaftler und Künstler durch die Wirkungsorte Zweigs begleitet wird.
Diese wunderbare Aktion von Rudolf Angeli stellte sich zugleich als Einstand für eine Mitgliedschaft bei der Pirckheimer-Gesellschaft heraus - verdient!

Ein Atelierbesuch bei der Pirckheimerin Elke Rehder, deren Einzeichnungen in das auf die Reise geschickte Exemplar der Schachnovelle die erste Station dieser Aktion bildeten, gab zum Abschluss meiner eintägigen "Reise eines Sammlers" einen Einblick in die Arbeit dieser Künstlerin, die nicht nur als Illustratorin und Malerin tätig ist, sondern auch beachtenswerte Publikationen zur Geschichte des Schachs und dessen Umfeld schuf. Übrigens, sie bäckt auch einen ausgezeichneten Apfelkuchen!

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... weitere Fotos hier.

So, 22.10.2017

Fritsch-Weith, Christiane (Hrsg.) - Klein, aber voller Köstlichkeiten. Der Buchladen Bayerischer Platz, Transit-Verlag, 17,80 €, ISBN 978-3-88747-325-9

... neulich am Bayerischen Platz

Eigentlich war ich unterwegs zu einer Lesung eines Freundes und hatte noch ein wenig Zeit, die auszufüllen ich mir ein hübsches Café oder aber eben eine Buchhandlung suchte. Und ich stieß auf einen Buchladen, der ein Flair ausstrahlte, wie man es sich als Bibliophiler wünscht. Überschaubar, erst auf den zweiten oder dritten Blick als sortiert erkennbar, ohne Badesalz, Schokolade oder Merchandising und unter dem ausgesuchten Angebot aktueller Titel auch einiges, was andere nicht oder noch nicht oder nicht mehr führen, wie z.B. die Ehrenburg-Ausgabe des Verlags Volk und Welt und in einer kleinen Vitrine auch Titel, die bereits vor einem Jahrhundert zum Sortiment gehörten.
Mein Eindruck hatte mich nicht getäuscht, ich hatte etwas entdeckt, ich war war im traditionsreichen Buchladen Bayerischer Platz, der in den letzten zwei Jahren mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurde und in zwei Jahren, gegründet vom jüdischen Intellektuellen und Anarchisten Benedict Lachmann, der von den Nazis ermordet wurde, sein 100stes Bestehen feiern wird. Zu seinen Kunden gehörten Albert Einstein, Gottfried Benn und Curt Riess. 1975 übernahm Christiane Fritsch-Weith die Buchhandlung. Große Begegnungen der Buchhändlerin sind als Kind Arno Schmidt, als Lehrling Ingeborg Bachmann und als Buchhändlerin Elias Canetti. Das war allerdings vor der Buchladenzeit, später waren Autoren des Buchladens z.B. Monika Maron, Eva Menasse, Michael Kumpfmüller und Karl Schlögel.die Liste der Autoren, die hier lasen ist lang.
Und seit meinem Besuch am Bayerischen Platz bin ich Abonnent des seit 2007 erscheinenden Literaturkurier, ein wöchentlicher Newsletter rund um Literatur, der von der Inhaberin herausgegeben wird.
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Buchladen am Bayerischen Platz

Fr, 07.10.2016

Der Sammler auf Reisen: Lugano

Lugano im Schweizer Tessin ist eine vortreffliche Urlaubsregion und besticht mit südländischem Flair und Wetter und kulinarischen Genüssen. Für den Buchliebhaber ist die Stadt am See eher weniger attraktiv und ein Antiquariat "zum Stöbern" konnte ich nicht finden. Dafür ist ein Ausflug ins Hermann-Hesse-Museum im nahen Montagnola aber mehr als eine Entschädigung. Ein Stadtbus (Linie 4.36 Richtung Agra) bringt die "Hesse-Fans", zu denen u.a. Udo Lindenberg gehört, nach Montagnola Bellevue und von dort ist es nur ein kurzer Spaziergang und man steht in Hesses Wahlheimat vor dem kleinen, aber sehr sehenswerten Museum. Hesse kam 1919 nach Montagnola und lebte hier bis zu seinem Tod im Jahr 1962. Im Untergeschoss des Museums ist ein Kinoraum eingerichtet und als Einstimmung kann man einen Film über Hesse genießen (einfach nach der deutschsprachigen Version fragen). Die Dauerausstellung auf mehreren Etagen präsentiert viel Sehenswertes, u.a. Hesses Schreibtisch mit der Original-Schreibmaschine und Fragmenten seiner gewaltigen Korrespondenz (u.a. mit Zweig, Adorno und Heuss), die Urkunde der Nobelpreisverleihung, natürlich Bücher von Hesse und aus seiner Privatbibliothek, aber auch Zeugnisse seines künstlerischen und gärtnerischen Schaffens. Nach dem Rundgang wird jeder Buch- und Hesse-Liebhaber in dem sehr schön eingerichteten Buchladen (mindestens) ein Mitbringsel von oder über Hesse finden und dann zu einem Spaziergang (in zwei Varianten) aufbrechen, um weiteren Hesse-Spuren in und um Montagnola zu folgen. Das nahe Literatur-Cafe lädt abschließend zu einer genüsslichen Pause, bevor es zurück in die Stadt geht.
(Dr. Michael Steiner)

Mi, 08.06.2016

Der Sammler auf Reisen: Venedig

Beim Anblick dieser Bücher, die an einem venezianischen Kanal auf den sonnenwarmen Steinen lagen, fragten wir uns, ob sie zum Verkauf, zum Tausch oder einfach zum Wegnehmen dort ausgebreitet waren. Es waren keine Preise angegeben und niemand war zugegen, der Auskunft hätte geben können. Es waren Bücher zur italienischen Architekturgeschichte, Schulbücher, Unterhaltungs- und Gebrauchsliteratur, auch Comics waren darunter. Im ratlosen Weiterschlendern beschlossen wir schließlich zu vermuten, dass jemand seine feucht gewordenen Bücher dort in der Sonne zum Trocknen ausgelegt haben müsse, denn die Bücher sahen aus, als hätten sie einen Regenschauer abbekommen oder als wären sie aus einem feuchten Keller ans Licht gezogen worden.
(Ulrich Goerdten)

So, 29.05.2016

Der Sammler auf Reisen: Literary Forum and Dialogue in Tbilisi

Einige Impressionen von der zur Zeit stattfindenden Buchmesse in Tiflis, die Fotos von Ralph Aepler können aufgerufen werden durch Klick auf die Vorschau und wurden folgendermaßen kommentiert:
"... Georgien - ein Land mit 3.729.635 Einwohnern und gefühlt 3.729.635 Buchliebhabern !!! | Was mir bisher immer auf Buchmessen fehlte, ob Mainz, Leipzig oder Frankfurt - Kartenzahlung in Tiflis kein Problem. | Und junge Leser und solche die es werden wollen, werden in Georgien gut umsorgt.
´ვეფხისტყაოსანი` (Der Recke im Tigerfell) von შოთა რუსთაველი (Schota Rustaweli) einer der bedeutendsten Literaten des Mittelalters, geschrieben zwischen 1196 und 1207! wird heute noch viel gelesen und immer wieder opulent gedruckt. Wissenswert: Trotz des Alters des Textes kann jeder Georgier ihn heute noch lesen und verstehen! Ein Sprache, die sich gegen alle Angriffe seit Jahrhunderten erfolgreich gewehrt hat. | Auch die Bibel, wurde sozusagen druckfrisch ins georgische übersetzt. | Seit 2013 ist das Buch Weltdokumentenerbe! und auf der Messe mit eigenem Stand vertreten. Wow! 
Auch in Tiflis vertreten: Heinrich Böll Stiftung"
(Ralph Aepler)

1 Kommentar:


Hilde Baumgartner hat gesagt...Hört sich interessant an! Habe schon viele Werbeaufsteller diesbezüglich gesehen!
29. Mai 2016

Di, 24.05.2016

Der Sammler auf Reisen: Londoner Bücherbummel

Fotos © Michael Steiner
Bei einem verlängerten Wochenende in London habe ich keinen gesonderten Bücherbummel geplant, sondern diesen in das Tagesprogramm einfach eingebaut. London kommt solchen spontanen Entschlüssen mit einem tadellos funktionierenden U-Bahn-System sehr entgegen und in kürzester Zeit gelangt man von einem Stadtteil in den nächsten oder von einer Flussseite auf die andere. Großzügige Öffnungszeiten von Buchhändlern und Antiquariaten lassen keine Hetze aufkommen, denn man ist meist auch am Abend noch sehr willkommen.
Von der U-Bahn-Station Waterloo ist es ein kurzer Spaziergang zum Southbank Book Market, der sich unter der Waterloo-Brücke am Themse-Ufer ausbreitet und damit wirbt, täglich geöffnet zu sein, unabhängig vom Wetter (das will in London schon etwas heißen!). Ich hatte Glück, denn bei Sonnenschein macht das Stöbern zwischen Büchern unter freiem Himmel natürlich auch Spaß. Der Büchermarkt bietet vom Kinderbuch über viele geschichtliche Themen bis zu Drucken und Karten eine ganze Menge. Unter den ganz wenigen deutschsprachigen Büchern habe ich mit "Der kleine Goldfischteich. In vielen Farben" ein Exemplar der Insel-Bücherei Nr. 255 entdeckt und für meine kleine Teilsammlung "Weitgereiste Exemplare" erworben. Die gut lesbare Widmung auf dem Vorsatz verrät, dass eine Sally zu Weihnachten 1938 mit dem Büchlein beschenkt wurde.
Die U-Bahn-Station Leicester Square ist dann der perfekte Ausgangspunkt für den Besuch der (einst?) legendären Büchermeile Charing Cross Road und deren kleiner Seitenzeile Cecil Court. Sicher sind die Ladenantiquariate in der Charing Cross Road auch deutlich weniger geworden, aber Institutionen wie "Any Amount of Books" oder "Quinto" sind einen Besuch wert. Alte Kostbarkeiten in Leder werben im Eingangsbereich um die Gunst der Käufer und wer zum Stöbern kommt, geht in die Kellerräume, die teilweise vor Büchern überquellen - für den einen Bücherliebhaber genau das, was er sich wünscht, für den nächsten eine Zumutung. Möge jeder Besucher für sich entscheiden. Ein interessantes Detail auf dem Weg in einen solchen Bücherkeller ist das Plakat "Buchläden statt Bomben" - ein zeitloses Bekenntnis nicht nur für Buchhändler, Antiquare und Leser ....
Ganz anders geht es dann im Cecil Court zu, denn hier sind ausgesuchte Antiquariate unter sich und so manche Rarität dürfte schon den Besitzer gewechselt haben. Leider hält man sich hier auch an bei uns übliche Öffnungszeiten und so konnte ich lediglich Tim Bryars einen Besuch abstatten. Bei einem netten Gespräch kamen wir auf das Thema "Bücher über Bücher" und er fragte mich, ob ich in Interesse an einem Buch über antiquarische Buchhändler hätte. Für 20 englische Pfund konnte ich so meine Bibliothek nun um ein Exemplar "A Second Book of Booksellers" erweitern, das nette Geschichten über antiquarische Buchhändler erzählt und von der Autorin Sheila Markham (vorab) signiert und vom Antiquar Tim Bryars für mich gewidmet wurde mit "Bought in the right place" (Am richtigen Ort gekauft), denn Tim Bryars ist einer der im Buch vorgestellten Antiquare.
Einige Bildeindrücke des Kurzbesuches, der bis auf einen fast dramatischen Rückflug (Umkehr nach wenigen Minuten in der Luft wegen eines geborstenen Cockpitfenster-segments) unbedingt eine Fortsetzung braucht, denn es gibt in London noch ungezählte Antiquariate in der City und auch weiter draußen am Rand der Metropole ...

Di, 23.02.2016

Pirckheimer – schließt die Lücken!

Reisen bildet ja bekanntlich. Diese Erfahrung durfte ich kürzlich im schönen Leipzig machen. Unser Pirckheimer-Freund Herbert Kästner führte Matthias Haberzettl und mich durch das Archiv des Leipziger Bibliophilen Abends – sehr beeindruckend. Dabei lernte ich die Nummer 0 der Marginalien kennen, die auf den 29. Januar 1956 datiert ist. Also ich kannte dieses Heft Nummer 0 bis zu dieser Reise nicht. Inhalt ist ein Text von Friedrich Schiller: „Herzog von Alba bei einem Frühstück auf dem Schlosse zu Rudolstadt im Jahre 1547“. Natürlich besitzt diese Ausgabe Vignetten unseres Gründungsmitgliedes Werner Klemke. Und folgerichtig besitzt Matthias Haberzettl als bekannter Klemke-Sammler dieses Heft. Nun besitze ich davon eine Dublette aus der Haberzettlschen Sammlung, und konnte so die hoffentlich letzte Lücke in meiner Marginalien-Reihe schließen.
Von diesem Heft haben wir zwar keines in unserem Pirckheimer-Archiv, auch nicht von den Nummern Eins (dieses Heft ist jedoch noch als Reprint zu haben) bis Zwölf, dafür aber von neueren Heften noch manches Exemplar. Also, liebe Pirckheimer-Mitglieder, welche(s) Heft(e) fehlt in Ihrer Sammlung? Schicken Sie uns einfach Ihre Liste mit den Lücken. Wir werden versuchen, sie zu schließen.
Am einfachsten senden Sie Ihre Wunschliste per E-Mail an aepler(at)pirckheimer-gesellschaft.org. Es geht aber auch traditionell per Brief an Pirckheimer Gesellschaft e.V., Postfach 640114, D-10047 Berlin.
Bitte den Absender nicht vergessen. Was die Preise angeht, bitte lassen Sie sich überraschen. Eines ist jetzt schon sicher: Das leidige Porto zahlt der Empfänger. Aber für die Hefte unterbreiten wir Ihnen ein Angebot, das Sie einfach nicht ablehnen können.
Viele Grüße Ralph Aepler

Fr, 18.12.2015

Der Sammler auf Reisen: Brüssel

Die Bibliotheca Wittockiana ist das weltweit einzige Museum, welches sich vor Allem der Kunst der Handbuchbinderei widmet. Es enthält eine einzigartige Sammlung von dekorativen Einbänden, die die Entwicklung des Einbands über fünf Jahrhunderten, von der Renaissance bis zu zeitgenössischen Kreationen, dokumentiert.
Neben dieser renommierten Sammlung des Industriellen und Bibliophilen Michel Wittock beherbergt das Museum auch weitere, wie der Entwürfe des Dichters Valère-Gille, die Lucien Bonaparte Sammlung (Bücher, Briefe, Fotografien), sowie zahlreiche zeitgenössische Künstlerbücher, Buchobjekte und Buchskulpturen.
In wechselnden Ausstellungen werden zu Aspekten der Buchbinderei und Büchern vorgestellt. Zur Zeit läuft eine Ausstellung zum Thema "Rassenfosse oder die Ästhetik des Buches". Armand Rassenfosse (1862-1934), Radierer und Maler von Lüttich, ist Vertreter der klassischen Moderne, die Symbolismus und Jugendstil ablöste. In Zusammenarbeit mit Auguste Bénard, einem Drucker aus Lüttich, arbeitete er in verschiedenen Techniken der Buchillustration, einschließlich der Lithographie. Eng verbunden mit Pariser literarischen und intellektuellen Kreisen, arbeitete Rassenfosse mit zahlreichen Verlagen wie Louis Dorbon oder René-Louis Doyon. Hier entwarf er u.a. die Illustrationen für mehrere Editionen von Charles Baudelaires "Fleurs du Mal".

"... ein Besuch in Brüssel lohnt sich für jeden Bibliophilen. Das Museum für künstlerische Bucheinbände zeigt eine Menge Bücher in phantasievollen „Verfremdungen“, die man so schnell nicht mehr vergisst!"
(Empfehlung und Fotos: Michael Eschmann)


Ausstellung: noch bis 16. Januar 2016
Bibliotheca Wittockiana 
23 Rue du Bemel 
1150 Woluwe-Saint-Pierre

Mi, 30.09.2015

Der Sammler auf Reisen: bei Theophil Zwang

Am 27. September 2015 hatte ich Gelegenheit den Meister der Einbandkunst Theophil Zwang und seine Gemahlin, sowie Sohn Stefan im schönen Domizil in Ober-Roden/Rödermark zu besuchen. Es war ein herzliches Treffen, bei dem es viele beeindruckende Einbände zu besichtigen gab. Darunter einige handgeschriebene Bücher, die Theophil Zwang zu persönlichen Anlässen, seiner charmanten Frau Barbara widmete. In Erinnerung blieb mir ein besonders schönes, handgeschriebenes Buch mit Gedichten von Hermann Hesse.
Theophil Zwang, Foto © Michael Eschmann)
Ein ausführliches Porträt über den Buchbinder Theophil Zwang (*1924) erschien von Ute Maria Etzold mit dem Titel „Der Buchbinder Theophil Zwang und Die Gurke“ in den Marginalien 217. Heft/Jahrgang 2015/1. Darin wird ausführlich das Lebenswerk des bedeutenden Buchkünstlers gewürdigt, der viele Jahre als Fachlehrer an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach wirkte.

Mi, 26.08.2015

Der Sammler auf Reisen: Bouquinisten

Seit Jahren sammle ich Exlibris, Grafiken, Fotos zu Bouquinisten. Es ist immer das Gleiche: Gerne wird ein freundliches, romantisches Bild am Seine-Ufer, mit kleinen Bücherbuden, vielen Büchern und Buchkäufern gezeigt. Damit wurde das Motiv zum touristischen Knüller!
Vor einigen Jahren konnte ich aber eine französische Fotokarte erwerben, die diesem Klischee total widersprach. Ein alter Mann – ein Antiquar – sitzt traurig nach vorne gebeugt auf einem kleinen Schemel, im Hintergrund sieht man unaufgeräumte Buchbestände (Altpapier?).
Irgendwie wirkt alles unordentlich, unschön, chaotisch. Das Bild ist um 1910 entstanden. Manchmal denke ich, nimmt es das Elend des Internetbuchhandels geradezu ideal vorweg. 

Mo, 24.08.2015

Der Sammler auf Reisen: Paris

ferdinand bouquiniste des quais de Paris
“Die größte Freiluftbuchhandlung der Welt” – so nennt das Pariser Tourismusbüro die rund 200 “Bouquinisten”, die entlang des Seine-Ufers in der französischen Metropole in ihren Klappläden meist antiquarische Bücher und Kunstdrucke anbieten.
Ihre Anfänge lassen sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen – die erste urkundliche Erwähnung von Buchhändlern am Seine-Ufer stammt aus dem Jahre 1609. Damals zogen die “Colporteurs” (Hausierer) mit ihren Buch-Bauläden noch von Haus zu Haus und wurden von der Obrigkeit mißtrauisch beäugt, weil sie häufig verbotene Schriften verkauften. Später transportierten sie ihre Bücher mit Schubkarren zu ihren Verkaufsplätzen an der Seine und mußten sie jeden Abend wieder nach Hause schaffen. Unter Ludwig XIII. wurden diese ambulanten Buchhändler erstmals registriert und erhielten damit auch die königliche Zulassung.  ...
(Martina Berg, die Bücher-Berg)

... weiterlesen im ZVAB-Blog

So, 23.08.2015

Der Sammler auf Reisen: Niederrhein, Nordsee, Usedom

Niederrhein        -        Nordsee (Greetsiel?)        -        Usedom
BücherboXX und mehr, fotografiert von Salvatore Efisio

Sa, 30.05.2015

Der Sammler auf Reisen: Wiltz, Luxemburg

Foto © Michael Eschmann
Buch und Bier

Das Großherzogtum Luxemburg besitzt in Wiltz ein einzigartiges Brauereimuseum mit einer beachtlichen Sammlung von Exponaten zur 6000 Jahren alten Geschichte der Bierherstellung.
Darunter befinden sich auch zahlreiche Bücher, Graphiken, Firmengeschichten, Plakate und historische Rechnungsbögen. Ein Besuch lohnt sich, sagt der Griesheimer Antiquar Michael Eschmann, der diese Woche zu Besuch dort war!

Musée National d`Art Brassicole
Chateau de Wiltz
35, rue du Château
L-9516 Wiltz

Di, 26.05.2015

Ein Klemke-Tag in Berlin

Annet Betsalel durchforschte die 2011 wieder entdeckten Archivalien der Jüdischen Gemeinde ihrer Heimatstadt Bussum, einem Ort etwa 20 Kilometer östlich von Amsterdam. Darin fand sie Hinweise auf die Beteiligung zweier deutscher Wehrmachtsoldaten bei der Rettung verfolgter Juden. Dies faszinierte sie und sie wollte mehr über diese beiden Deutschen herausfinden. Der eine, Johannes Gerhardt, war im Oktober 1944 gefallen. Der Andere, Werner Klemke, war ein international erfolgreicher Buchillustrator und Künstler in der DDR gewesen. Über ihn konnte sie mehr erfahren. Ihr Ziel einen dokumentarischen Film über ihn und seine Zeit in den Niederlanden zu erstellen, beschäftigte sie mehrere Jahre. Dabei mußte sie nicht nur kritische Bemerkungen aus der jüdischen Gemeinde, sondern auch finanzielle und räumliche Probleme überwinden. Für Annet Betsalel war das Handeln der beiden Wehrmachtsoldaten ein Beweis für das Gute im Menschen.
Die Premiere des Filmes fand am 18. Mai 2015 im Rahmen des jüdischen Filmfestivals im Kino Babylon am Rosa Luxemburg Platz statt. Gleichzeitig, aber unabhängig von diesem Ereignis, stellte die „Brotfabrik Berlin“ in einem Bauwagen eine kleine Klemke-Ausstellung zusammen, kuratiert von Dr. Dirk Moldt. Mit der Ausstellung soll für die Idee einer Benennung eines noch „unbenannten“ Teiles des Antonplatzes im Stadtteil Weißensee mit dem Namen „Werner Klemke“ geworben werden. Die Ausstellung soll an verschiedenen Orten in der Stadt aufgestellt werden. Letztlich dürfte eine Benennung noch Jahre voller Diskussion und Werbung erfordern, da in Berlin ein Stadtratsbeschluß existiert, wonach zunächst Plätze und Straßen nach Frauen benannt werden sollen, da diese unterrepräsentiert seien.
Vor dem Bauwagen traf ich Juan Morales Calvo und Hans Beukers, Bruder von Annet Betsalel, die wie ich die Ausstellung anschauen wollten. Leider oder Gott sei Dank, war sie noch geschlossen und die Öffnungszeiten nicht ausgewiesen. So kamen wir ins Gespräch. Der Name Haberzettl fiel und nun gab es weiteren Gesprächsstoff. Es stellte sich heraus, daß die Ausstellung erst um 13.00 Uhr geöffnet wurde und zu dieser Zeit auch Matthias Haberzettl kommen wollte. So bot Juan eine Klemke-Führung an. Wir suchten das Wohnhaus in der Tassostraße auf. Dort begrüßte uns im Hinterhof Christine, eine Tochter von Werner Klemke. Sie führt dort eine kleine Zeichenschule, ohne deren Existenz wohl die Bedeutung dieses Ortes als Schaffensort von Werner Klemke verloren gegangen wäre. Nach einer gemeinsamen Kaffeepause trafen wir wieder am Antonplatz ein und schauten uns die Ausstellung an. Hierzu warb neben den gut gestalteten Flyern auch ein Ausstellungsplakat mit dem Hirsch Heinrich. Die Premiere des Filmes fand um 20.00 Uhr statt.
Als Werbemittel waren mit gleichem Motiv zwei Plakate, eines in DIN A1-Format und eines in DIN A3-Format, gestaltet von Marita Hoffmann, sowie ein Flyer erstellt worden. Zusätzlich ein vierseitiges Informationsblatt auf Hochglanzpapier mit Informationen zum Film sowie verschiedenen Abbildungen. Der Kinosaal verfügt über mehr als 400 Plätze. Für Familienangehörige der im Film dargestellten Personen, die aus Israel, den Niederlanden und Deutschland angereist waren sowie Pirckheimer, die mit ihren Spenden die Erstellung des Filmes unterstützt hatten, waren bereits über 140 Plätze reserviert. Mit großer Spannung wurde verfolgt, wie der Saal sich füllte. Am Ende war er nahezu vollbesetzt. Die Begrüßung erfolgte durch die Festivalleiterin Frau Nicola Galliner. Sie begrüßte neben den Familienangehörigen u. a. Gregor Gysi und Vertreter der Botschaft der Niederlande, an ihrer Spitze Botschaftsrätin Monique Ruhe. Diese sprach ein längeres Grußwort, an das sich ein paar persönliche Worte von Annet Betsalel anschlossen.
Der Film begeisterte nicht nur Freunde des Künstlers. Er zeigte viele neue Facetten aus dem Leben von Klemke, seinen gefährlichen Einsatz für die Rettung von Verfolgten. Er zeigte aber auch, wie in dem kleinen Ort Bussum durch den Einsatz Vieler, über 50% der jüdischen Gemeindemitglieder gerettet werden konnten. Der Film verschwieg aber auch nicht die Verstrickung Einzelner in das Unrechtssystem. Letztlich ist es ein Film für die Menschlichkeit gegen Vorurteile und der Verantwortung des Einzelnen für sein eigenes Handeln.
Das Publikum war begeistert. Eine Frage eines etwa 12jährigen Jungen zeigte, daß er den Film bis zum Schluß aufmerksam verfolgt hatte, brachte aber die Zuhörer zum Schmunzeln. „Hat Michael Ballak bei dem Film mitgewirkt?“ Annet Betsalel nahm es mit Humor „Nein, es war ein Kameramann mit demselben Namen.“ Der Abend fand seinen gemütlichen Ausklang im „Grünen Salon“ der naheliegenden Volksbühne. Der Raum war mit Plakaten von Werner Klemke geschmückt, die Matthias Haberzettl zu Verfügung gestellt hatte. Hier hielt für die Pirckheimer-Gesellschaft deren Vorstandsmitglied, der Grafiker Prof. Dr. Roland Berger, eine Dankesrede und überreichte Annet Betsalel einen weiteren Scheck über Spenden der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, die nicht nur über die Höhe des Betrages überrascht war.
Erst spät am frühen Morgen endeten die Gespräche. Es war sicher für alle Anwesenden ein unvergeßlicher Tag.
(Matthias Koloßa)
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