Pirckheimer-Blog

Buch des Monats

Do, 21.03.2024

Ein Erzähler wie ein ... literarisches Donnerwetter: Gabriel García Márquez. Sein Romanino "Wir sehen uns im August" erschien soeben, zehn Jahre nach dem Tod des Meisters des Magischen Realismus. In deutscher Übersetzung wurde der schmale Band in einer schönen Ausgabe bei Kiepenheuer & Witsch, begleitet von je einem Vor- wie Nachwort, verlegt. Es übersetzte die Márquez-Kennerin Dagmar Ploetz.

Buch des Monats – „Wir sehen uns im August“ aus Márquez’ Nachlass

Es sind nicht viele Bücher und Autoren, die Erdbeben auslösen können, dieser ganz bestimmt: Gabriel García Márquez (1927–2014), der zu den größten Erzählern dieses Doppeljahrhunderts zählt. Allein die Nennung der drei bedeutendsten Romane aus seiner Feder – sein Opus magnum Hundert Jahre Einsamkeit, Die Liebe in den Zeiten der Cholera sowie Von der Liebe und anderen Dämonen, lassen den Freund des Magischen Realismus erzittern, da ist noch kein einziges Wort über Laubsturm, Nachricht von einer Entführung oder Der Oberst hat niemanden, der ihm schreibt gesagt. Eigentlich hat der kolumbianische Nobelpreisträger vor seinem Tod die Vernichtung seines letzten Buches verfügt, weil es in seinen Augen nichts taugt. Nun, man wird wohl dereinst von Glück sagen, dass sich seine Söhne nicht zu diesem Schritt entscheiden konnten – auch wenn sie ähnlich wie Max Brod gegenüber seinem Freund Kafka die Gewissensbisse plagen, ist doch die Entdeckung und Veröffentlichung von Wir sehen uns im August jetzt ... zehn Jahre nach dem Tod des Meisters ... nicht weniger als eine literarische Sensation. Der schmale Band ist begleitet von einem Vor- und einem editorischen Nachwort, in dem die Umstände des Zustandekommens beschrieben sind – eigentlich plante Gabo fünf Erzählungen um die Heldin Ana Magdalena Bach, indes, der Kampf des Meisters mit der zunehmenden Demenz verhinderte um ein Haar auch den Abschluss des hier nun vorliegenden Romanino. Die Überlieferung ist etwas zwiespältig: Neben dem Zweifel Márquez’ an der Qualität seiner späten Arbeit findet sich am Ende der fünften Fassung das „Gran OK“ von seiner Hand. Und auch wenn man dem Buch einige Stolperstellen bescheinigt, ist sie doch auch hier zu finden, die große Magie, mit der dieser Erzähler ein Zauberer der Sprache war. Die Story ist krud und zart zugleich: Die Heldin reist immer im August auf die Insel, wo sich das Grab ihrer Mutter befindet. In die Regelmäßigkeit ihres Lebens bricht nach einer Barnacht im Hotel eine ambivalente Affäre ein, ein klassischer Masterplot, geeignet, Biografien zu verwirbeln. Und das Ende ist – nicht wenig spooky ... Alles in allem ist Wir sehen uns im August das allerdings fulminante Dokument des Verlöschens eines großen Geistes. Die Gestaltung des regulär bei Kiepenheuer & Witsch verlegten Bands verdient auch aufgrund seiner äußeren Schönheit Beachtung: ein Buch, das man gern mit sich herumträgt und wieder und wieder zur Hand nimmt. Und vielleicht tut uns Gabo den Gefallen, und da sind noch mehr Schätze im Nachlass, die’s zu heben lohnt, uns vielleicht noch einmal über sein großes Thema, die Liebe, zu belehren. (Gabriel García Márquez: Wir sehen uns im August, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2024, HC mit SchU, 144 Seiten, ISBN 978-3-462400-642-1, 23 Euro.)

(André Schinkel)

Sa, 24.02.2024

"Mensch sein" – ein Plädoyer für das Menschliche.
Das Autorenduo: Kai Michel (li.) und Carel van Schaik.

Buch des Monats: „Mensch sein“

Gerade in diesen verfaulenden Zeiten, im Angesicht des heutigen erschreckenden Datums, ist jedes Zeichen der Hoffnung, das den Menschen in einem anderen möglichen Licht erscheinen lässt, wichtig, wenn nicht von höchster Bedeutung. Carel van Schaik und Kai Michel haben es wieder getan: Im nunmehr dritten Band ihrer als Tetralogie ausgelegten Erkundung des Menschen haben sie nun nach Das Tagebuch der Menschheit (2017) und Die Wahrheit über Eva (2020) in Mensch sein (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 2023, Hardcover mit SchU und Lesebändchen, 384 Seiten, ISBN 978-3-49800-327-5, 24 Euro) dem sozialen Grundgerüst, dessen wir alle bedürfen, sich zugewandt. Der renommierte Anthropologe van Schaik, dessen Forschungen einerseits den drei Species der Orang-Utans und zum anderen den Wurzeln des Menschen gewidmet sind, und der Historiker und Literaturwissenschaftler Michel, der im Verbund mit Harald Meller auch drei archäologische Bestseller zur weltberühmten Himmelsscheibe von Nebra und zur Schamanin von Bad Dürrenberg vorlegte, sprechen in Mensch sein von unserer Sehnsucht nach den anderen, die jedem Menschen eingegeben ist und die bis in seine Uranfänge verfolgbar sind. Das Phänomen der Sesshaftigkeit, das neben vielen fortschrittlichen Aspekten auch dem Keimen von Krieg und Patriarchat hohe Ränke gibt, schält sich im Blick der bisher vorliegenden drei Bände einer tiefen religions- und archäosoziologischen Deutung des Menschlichen als Zentromer und als Drehpunkt heraus. Aber: Eben dies zu wissen und zu erkennen zeitigt auch die Möglichkeit, gegen diese Zwie- wie törichte Form der zivilisatorischen Barbarei vorzugehen! Denn nach wie vor besteht Hoffnung, auch dies erzählt dieses Buch: Wie kaum ein Wesen ist der Mensch erfinderisch im Bewältigen von Krisen, im Überwinden von Abgründen, nun, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht. Die Autoren erläutern in ihrem zudem fulminant formulierten Text das Wechselspiel unserer ersten (Herkunft und Genetik) mit der zweiten (Kultur) und dritten Natur (Vernunft) und begründen die Notwendigkeit dieses. Es ist, so van Schaik und Michel der Schlüssel dazu, künftig miteinander in Eintracht zu leben und gewissermaßen auch ein Stückweit an die paradiesischen Strände des Anfangs anzuknüpfen. Von der Evolution für die Zukunft lernen – was für eine Vision. Es ist eine Frage der Kommunikation (im Sinne des Palaverns), Besinnung, letzthin Grund für Optimismus. Der bereits in Angriff genommene vierte Band der Folge soll sich dann der wohl dunkelsten Seite des Menschenwesens, dem Krieg, widmen ... hoffend, auch daraus Erkenntnis und, auch wenn die beiden Verfasser mit allem anderen als dem moralischen Zeigefinger, sondern vielmehr mit dem Suchen und Erläutern von Erklärungen arbeiten, Lehre zu ziehen. Zwei Autoren der Stunde, wert, dass ihre Bücher tausendfach die Herzen und Hirne der Menschen erreichen: So. Möge. Es. Sein. Denn darum geht es auch im Angesicht des momentanen Hangs zu Blut und Geschepper nach wie vor ... sich auf das Wesentliche, was dem Menschen nach dem Austritt aus dem Tierreich verfolgt, zeigt und zeichnet zugleich – Kultur und Mit-Menschlichkeit und, in die Natur gespiegelt der Mit-Wesenheit, wieder konzentrieren zu können; dann klappt es auch künftig mit dem Miteinander. Die Autoren sind momentan auf Lese- und Gesprächstour im deutschsprachigen Raum unterwegs. Das Buch darf mithin auch als Beispiel gelten, wie gute Recherche in passende Verpackung kommt: Das Cover ehrt mit Masse von Franz Wilhelm Seiwert einen von den Nazis verfemten Künstler – sein Gemälde steht für die Menschheit, also uns, die wir uns erblicken, im Spiegel unserer selbst.

(André Schinkel)

Mo, 29.01.2024

"Am Rand der Pfütze springt jede Katze anders": das Frontispiz, der Innentitel sowie zwei Vorzugsmotive des Buchs von Herta Müller und Axel Heller – 2023 erschienen bei Thomas Reche in Neumarkt i. d. OPf.

Buch des Monats: Herta Müller · Axel Heller „Am Rand der Pfütze springt jede Katze anders“

An einem Wintertag ging ich mit meiner Mutter drei Kilometer durch den Schnee ins Nachbardorf ein Fuchsfell kaufen für einen Mantelkragen. Der Pelzkragen sollte das Weihnachtsgeschenk meiner Mutter sein. Was für ein würdiges Buch des Monats! Fünf Texte der großen Erzählerin und vielfach geehrten Zeitzeugin Herta Müller: Essays, Notate und die fulminante Nobelpreisrede von 2009 selbst, flankiert von Fotografien Axel Hellers, erschienen als Ausgabe, die jeden bibliophilen Nerd zärtlich in die Träume verfolgt, im Verlag von Thomas Reche in Neumarkt in der Oberpfalz. Das Fell war ein ganzer Fuchs, und es glänzte kupferrot und wie Seide. Es hatte einen Kopf mit Ohren, eine getrocknete Schnauze und an den Füßen die schwarzen getrockneten Pölsterchen der Pfoten mit porzellanweißen Krallen und einen so bauschigen Schwanz, als wär noch der Wind drin. Der Fuchs lebte. Nicht mehr im Wald, aber in seiner konservierten Schönheit. Den in die Tiefe lotenden Exegesen von Herta Müller stehen 37 Fotografien Hellers zur Seite, die zwischen 2005 und 2014 im nordrumänischen Kreis Maramureș entstanden und mithin vom Leben auf dem Balkan wie der Herkunft Müllers berichten. Der Jäger hatte rote Haare wie der Fuchs. Das war mir unheimlich. Vielleicht fragte ich ihn deshalb, ob er ihn selbst geschossen hat. Er sagte, auf Füchse schießt man nicht, Füchse gehen in die Falle. Die Normalausgabe des herrlich-prächtigen Buches erschien in 400 Exemplaren und ist für 48 Euro (ISBN 978-3-947684-11-3) zu haben. Die gesamte Auflage ist signiert. Das alles sollte ein Mantelkragen werden. Ich ging noch zur Schule und wollte nicht wie alte Damen einen ganzen Fuchs mit Kopf und Pfoten am Hals, sondern nur ein Stückchen Fell als Kragen. Weiterhin erschien eine Vorzugsausgabe A (Nr. I bis XL), mit zwei signierten Original-Fotografien Auf dem Bauernhof und Straße im Winter, auf Barytpapier beiliegend zum Preis von 330 Euro (diese Ausgabe dürfte durch die Abonnements fast vergriffen sein, man eile ...). Aber zum Zerschneiden war der Fuchs zu schön. Darum begleitete er mich jahrelang und durfte überall, wo ich wohnte, wie ein Haustier auf dem Fußboden liegen. Eines Tages stieß ich im Vorbeigehen an das Fell, und der Schwanz rutschte weg. Er war abgeschnitten. Wochen später war der rechte hintere Fuß abgeschnitten, dann der linke. Ein paar Monate später nacheinander die vorderen Füße. Ferner sind noch die Vorzugsausgaben B und C in je 40 Exemplaren mit einem Original versehen, für jeweils 192 Euro zu bestellen. Der Geheimdienst kam und ging, wie er wollte. Er hinterließ Zeichen, wenn er wollte. Der Wohnungstür sah man nichts an. Ich sollte wissen, daß mir in meiner Wohnung dasselbe passieren kann wie dem Fuchs. Was für ein Buch, das Thomas Reche da wuchtig kredenzt!

(André Schinkel/kursivierte Zitate: Herta Müller)

Mi, 27.12.2023

"LichtKlang" von Günter Giese und Holger Uske ist in kleiner Auflage erschienen und bei den Urhebern via Mail bestellbar. Das Buch enthält 39 Bild-Text-Paare.

Gelesen übers Jahr: „LichtKlang“

Das Licht ist / Unterwegs zu dir / Du musst ihm / Nur folgen / Darfst auch nach / Schatten tauchen / Der Wärme / Dunkel erkunden / Solange bis / Nacht uns übermannt ...“ LichtKlang ist das zweite gemeinsame Buch der beiden, gestaltet wurde es von Andreas Kuhrt. Manchmal war es wie ein Rausch“: Mit 39 oft ganzseitigen Bildern und Gedichten setzen der Fotograf Günter Giese und der Dichter Holger Uske ihre vor vielen Jahren begonnene Kooperation fort. Sinnlich ist das und tief, kraftvoll, im wahrsten Sinne lichtstark ... und zärtlich in der Wucht der Ansprache zugleich. Zu drei Bildern Gieses fanden sich fertige Texte ein, die anderen 36 entstanden in der Nachfolge des jüngsten Gedichtbands Windgras des Suhler Lyrikers, dessen biegsame Genauigkeit und stille Treffsicherheit sich auch in der gestalterischen Anordnung von Text und Bild ausdrückt, exclusiv. Reich ist der Dezember augenblicklich: Theoretisch wäre ein drittes Buch des Monats zu vergeben. Es sind die großen Themen, die dieses Buch treiben, das Werden wie das Vergehen, die Schönheit, die Liebe, die Fragen der Welt im Großen wie im Kleinen. Im Beieinander von Licht und Klang gehen sie in diesem schönen Buch im Hardcover, in feinem Papier eine triftige, lichtvolle Symbiose ein. Wunderschöne Akte finden sich in ihm, die den Dichter, naturalmente!, an die Leier treiben. Aber auch die sprichwörtliche Verästelung der Zeit, das Gewicht der Welt“, Herbstrausch, die Lichtklippen der Gegenwart, die Lebens-Linien sind Thema. Am Ende wird in Mauerquadrat die Hoffnung auf eine neue Fensterzeit“ geschürt. Das mit 20 Euro ob seiner Qualität preiswerte Buch ist in kleiner Auflage in der Edition Sinnbild erschienen und bei den Urhebern via Mail – bei Günter Giese: gieseguenter@aol.com, Holger Uske: uske.suhl@gmail.com, direkt bestellbar.

(André Schinkel)

So, 17.12.2023

Schön und preiswert: Das gemeinsame Text-Bilder-Buch "Schleichwege" von Patrick Wilden und Kathrin Brömse ist soeben erschienen und enthält Texte zur Gegend der gemeinsamen Kindheit und Jugend. Für nur 15 Euro ist es bei den Urhebern zu bekommen.

Buch des Monats: „Schleichwege“

Schleichwege, das Buch des Monats Dezember in diesem zu Ende gehenden Jahr, enthält auf 56 Seiten Gedichte und Zeichnungen, verlegt in Eigenregie vom Lyriker Patrick Wilden und der Künstlerin Kathrin Brömse. Das Projekt, lange geplant und in mehrfachen Vorläufen in Angriff genommen, ist das Resultat einer gemeinsamen Kindheit im Grenzgebiet zwischen Niedersachsen und Hessen, die Metropole des Landstrichs, Kassel, im Blick, die Rituale des Provinziellen samt Dorfkäuzen und Waldesdickicht tief inhalierend. Texte und Bilder der beiden berichten von der Rückkunft und vom Sich-Umschaun, aber auch vom Bewusstsein, dass in das Prägende nicht mehr endgültig eingekehrt werden kann. Wilden, mittlerweile ausgewiesener Autor und Kritiker, lebt heute in Leipzig und vor allem Dresden, während es Kathrin Brömse samt einem umfänglichen wie umtriebigen malerischen, grafischen, buchkünstlerischen und Objekt-Werk nach Marburg verschlug. Im Buch selbst, das voller Reminiszenzen, Erinnerungen an das und stillen Exegesen des Vergangenen mit Einsprengseln aus den beiden vorhergehenden Bänden Wildens und dem Preisträgertext eines Wettbewerbs, in dem es Ringelnatz nach Kassel verschlägt, ist, sprechen stets die Texte mit den Skizzen und umgekehrt. Es ergibt sich, gehüllt von einer Gouache, die den Einband ergibt, ein sprichwörtlicher Schleichweg durch das Dickicht, das die Kindheit und Jugend von Dichter und Künstlerin sind. Das Buch im schönen Gewand (Breitklappenbroschur) ist bei der Künstlerin wie unter der Mail des Autors (patrick.wilden@web.de) für 15 Euro erhältlich.

(André Schinkel)

Sa, 09.12.2023

"Falterfragmente" · "Poussière de papillon" heißt die neue Sammlung Lyrik von Franziska Beyer-Lallauret, die seit langem in Frankreich lebt und ihre Texte hier in zwei Sprachen darbietet. Das Buch erschien 2022 im dr. ziethen verlag in Oschersleben an der Bode.

„Falterfragmente“ · „Poussière de papillon“: Gedichte von Franziska Beyer-Lallauret in zwei Sprachen

Es ist das zweite Gedichtbuch von Franziska Beyer-Lallauret, erschienen in Oschersleben in der Börde im Verlag von Harry Ziethen. Die Autorin, im sächsischen Mittweida geboren und bei der Muldestadt Colditz aufgewachsen, lebt seit einer Reihe von Jahren als Lehrerin und Dichterin im französischen Avrillé bei Angers, und da ist es konsequent, in Falterfragmente oder eben Poussière de papillon zweisprachig zu arbeiten. Eine schöne Herausforderung: Und mit der erzählt das Buch eine Liebesgeschichte in zweimal 36 Texten, vom Aufsteigen des Monds bis zum Verlöschen. Eine stille, intime Sprache ist das und ein großes Vergnügen, schwebend und schwer in einem, im Leuchten des einen spiegelt sich das Leuchten des anderen Sprechens. Der komplexe Plot, in den Franziska Beyer-Lallauret ihre Lyrik bettet, wird begleitet von sieben Illustrationen von Johanna Hansen, Mischtechniken, Tuschen, Graphen. Patrick Wilden begleitet das Duett aus Text und Bild mit einem kundigen Nachwort. Er verweist darin auch auf das reziprok herrliche Spiel mit dem (natürlich, handelt sich doch um ein Buch der Liebe) Grundmotiv des Monds, der sich durch das Buch im deutschen Teil ab-, im französischen Textteil zunehmend durch das Buch hangelt ... so, als würde er sich (als Spiegel der Liebenden) noch einmal in sich selbst spiegeln, wie es die Präambel bereits anzeigt. Der Band endet mit einem Traum, aber letztlich rufen die Kapitel zuvor auch immer wieder den Eindruck des Träumens mit seinen Brüchen und Blickwechseln hervor. Zärtlich und kristallin klar ist dieses Buch in all seinen Teilen zugleich und ein mehr als würdiger Nachfolger der ersten Gedichtsammlung der Autorin, der unter dem Titel Warteschleifen auf Holz 2015 ebenfalls im dr. ziethen verlag erschien. Ein lyrisches Lesebuch für die Liebenden und die es (und mit aller Zumutung, die das auch mit sich bringen kann) noch werden, in seiner Schönheit eine Empfehlung für den Bibliophilen wie den Sammler der Text-Bild-Kombi zumal. (Franziska Beyer-Lallauret: Falterfragmente/Poussière de papillon, Gedichte, französisch u. deutsch, Oschersleben: dr. ziethen verlag 2022, mit sieben Abb. von Johanna Hansen, geb., 88 S., ISBN 978-3-86289-213-6, 20 Euro.) 

(André Schinkel)

Sa, 04.11.2023

Buch des Monats November: Grimms Märchen, Band vier: "Blaubart, Blut und Dinge", neu illustriert von Henrik Schrat, ist soeben erschienen bei Textem in Hamburg. Weltpremiere des Buchs ist am 11.11.2023 in Hamburg daselbst, und die Hauptstadt-Premiere findet am 24.11., beide jeweils mit Ausstellungen verbunden, statt. Nebelmond-Buchkunst au point.

Schrats Märchen, Band Nummero vier: „Blaubart, Blut & Dinge“

Es ist Band vier eines hochambitionierten editorischen Großprojekts: Grimms Märchen (Rodung · Kreuzung · Lichtung), die neue und bibliophile Gesamtausgabe aller Grimm-Texte in fünf Teilen, neu illustriert von Henrik Schrat. Drei Bände, in denen es von Zauber, von Wundern und aber von kontemporären Wesen im Bildteil auch wimmelt, glänzt und leuchtet, liegen bereits vor – und am 06. November erscheint nun mit Band vier: Blaubart – Blut & Dinge, mit den ureigenen Worten des Künstlers höchstselbst der „dunkelste und coolste“ von allen. Das dementsprechend auch bereits im Einband tief-, ja, verdachtsweise um ein Haar spinellschwarze Buch versammelt denn auch so einige der gruselschönsten Märchentexte der ikonischen Vollversammlung dessen, was Jakob (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) in jahrzehntelanger Kleinarbeit vereinten und damit ein Volksbuch der nachhaltigen Art schufen, zeitlos in beide Richtungen, das alte Wissen wie das eherne, über die Ären Gültige fassend (Hamburg: Textem Verlag, 285 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-86485-249-7, 34 Euro). In der neu bebilderten Folge von Schrat (I: Schneefall, II: Dornenrose, III: Lumpengesindel, IV: Blaubart, V: Und Gretel …) kann man im Bildteil auch selbst auftauchen – man möge sich also für den abschließenden Band beeilen. Schrat dazu: „Die 240 Märchen sind in fünf Bände aufgeteilt, die nicht der Grimmschen Sortierung entsprechen, sondern thematische Gruppen bilden und Gegenüberstellungen suchen. [Cameoauftritte für spezielle Märchen bitte [lang vorher anmelden, das Interesse ist groß, und ich muss das limitieren, damit das Märchenbuch keine Portraitsammlung wird. Aber das Erscheinen von realen Personen gibt dem Projekt schon eine entscheidende Wendung der ‚Diesseitigkeit‘ …“ Zunächst aber wird zweimal Premiere gefeiert und ausgestellt – am 11.11. in Hamburg (Frise, Arnoldstraße 26–30, 22765 Hamburg, ab 18 Uhr) und am 24.11. in Berlin (Kurt-Kurt, Lübecker Straße 13, 10559 Berlin, ab 19 Uhr). Danach sind die beiden Exhibitionen samt Gästen (Kollwitz, Hegenbarth ...!) noch bis in den Dezember zu sehen. Alle Infos auf der Webseite des Künstlers. Märchenhaft, ein Buch des Monats November nach Maß.

(André Schinkel)

Do, 26.10.2023

Erschienen vor 40 Jahren: Hilbigs "Stimme Stimme".

Buch des Monats: „Stimme Stimme“

Es dürfte eines der begehrtesten antiquarischen Bücher aus den Beständen des Leipziger Reclam-Verlags sein: Stimme Stimme von Wolfgang Hilbig, das einzige Buch des Büchnerpreisträgers und Weltliteraten aus Meuselwitz, das in der DDR erscheinen durfte. Vierzig Jahre ist das nun her: 1983 lag das Buch, um das es eine Reihe Querelen gegeben hatte und das durch die Fürsprache großer Literaten des kleinen Landes (Christa Wolf, Franz Fühmann, Stephan Hermlin) und die umsichtige Betreuung des legendären Reclam-Lektors und -Herausgebers Hubert Witt möglich wurde, endlich vor und war: eine literarische Sensation. Und quasi über Nacht vergriffen. Stimme Stimme versammelte Gedichte und Erzählungen des Autors, zuvor hatten nur zwei Bücher von ihm bei S. Fischer in Frankfurt, also auf der anderen Seite des Vorhangs, erscheinen können: das Lyrik-Debüt abwesenheit (1979) und eine Auswahl frühe Prosa: Unterm Neomond (1982). Da redete einer sprichwörtlich aus dem Untergrund und zugleich brüderlich mit Novalis, Rimbaud und Mallarmé, dass es ein Wunder und eine dunkle Freude war. In der Prosa stellte man den Vergleich mit Kafka an; Hilbigs Heizer dürfte den des Pragers an Intensität mithin noch übertreffen. Da war er, der große Arbeiterdichter ... und das kleine Land zierte sich. Ganz an der Zensur vorbei kam Stimme Stimme nicht, was man an der teils ausgedünnten Fassung von das meer in sachsen, eines programmatischen Gedichts aus Wolfgang Hilbigs vielleicht intensivster Schaffenszeit, erkennen kann. Aber es standen da Dinge, wie man sie lange in der DDR nicht gelesen hatte, zumal, wenn sie aus der Mitte ihrer Gesellschaft kamen. Hilbig, der gelernte Bohrwerksdreher, konnte seinem Heizkeller entsteigen, und der Rest ist Literaturgeschichte. Womöglich sind solche Autoren-Biografien heute im Betrieb eines geeinten Deutschlands nicht mehr möglich. Dieses einzige DDR-Buch Wolfgang Hilbigs, dessen Werk mittlerweile gesammelt bei seinem Frankfurter Verlag vorliegt, ist bis heute gesuchtes Sammelobjekt. Die aufgerufenen Preise für ein Exemplar von Stimme Stimme beginnen in den Antiquariaten bei 35 Euro. Nicht wenig für ein so zartes, vergilbendes Buch, dessen Einband vom Reclam-Procedere abwich. Die Besonderheit seines Inhalts und die Historie seiner Entstehung wird wohl für immer ihr Leuchten bewahren. Hilbig starb 2007. Aber seine Texte sind noch bei uns.

(André Schinkel)

So, 24.09.2023

Bezaubernd: Danilo Pockrandts Wunderwesenbuch.

Büchel des Monats: „Das Lepomu“

„Woran erkennt man ein Folmtutel ...? Warum weigert sich der Lammtroll, Hände auszubilden? Und welche Frage stellt sich das Lepomu tagein, tagaus …“ So wundervoll, wie das Werk selbst ist, teasert der Klappentext des im Hasenverlag erschienenen neuesten Streichs von Danilo Pockrandt – ein Buch, randvoll mit den herrlichsten Wesen, bei denen man versucht sein möchte, an ihre Existenz zu glauben. Der hallesche Buchkünstler, Grafiker und Autor Pockrandt hat sich: teils aus Verschreibern, teils aus der Tiefe des ihm eigenen Staunens an der Welt heraus, auf 100 Seiten eine total zaubrige Bande ausgedacht, sie selbst gezeichnet, ihnen einen Bestimmungstext und im Fußraum jeder Seite noch eine Art „letztes Wort“ gegeben, dass es eine Freude ist. Weiter heißt es im Teaser: „Die feinen, farblich reduzierten Tuschezeichnungen kommen heiter-unterhaltsam daher und werden gewürzt durch kurzweilige Charakterisierungen. Beim Blättern in diesem Band eröffnet sich eine Welt voller Wunderwesen, die uns verwandt und fremd zugleich erscheint. Ein Bilderbuch, auch für Erwachsene!“ Ein Exponat, vor dem auch mancher Pirckheimer nicht gefeit sein dürfte. Sei’s drum, wenn’s der Freude dient. Das Lepomu und andere Wunderwesen. Ein Bestimmungsbuch kommt im Hardcover im Format von 21 x 21 cm zu seinem Besitzer, es hört auf die ISBN 978-3-94537-787-1 und kostet schüchterne 25 Euro. Was für ein Buch: ein Handbuch, feiernd die Fantasie.

(André Schinkel)

Mo, 31.07.2023

Der Klak-Verlag mit Sitz in Berlin steht für ein breit gefächertes und ambitioniertes Buch-Programm.
Erschienen 2020: Steinbrücks "Haltlose Zustände".
Lutz Steinbrück, 2019. | © Agata Szymanska-Medina

Buch des Monats Juli: „Haltlose Zustände“ von Lutz Steinbrück

Wie so vieles auf dieser Seite des Jahrtausends wurde die Prophetie im Titel des Buchs des Monats Juli vielleicht nicht als Überraschung wahrgenommen, nein, vielmehr malmten die Ereignisse so in und durch die Epoche, dass Lutz Steinbrücks Lyrikband, obschon noch vor erstem Lockdown und dem unsäglichen menschengemachten Knirschen und Knacken im Gebälk der Welt im Klak-Verlag Berlin erschienen, nun, im rauch-, propaganda-, zorn- und hysteriegeschwängerten Jahr 2023 dem empfindsamen Konsumierer als Weissagung der sprichwörtlichen „Zustände“ erscheinen mag. Ja, und man sich wundert, was Gedichte vielleicht doch in der Tiefe vermögen: unserem noch nicht klar ausdrückbaren Empfinden eine Sprache und ihr Bilder, Gelenke und eben Klarheit geben.

Aber so ist es, so scheint es doch tatsächlich zu sein. „Haltlose Zustände mit diesem Befund setzt Lutz Steinbrück die Lesenden der unmittelbaren Realität aus, ihrem Widersinn und scheinbar festgezurrten Gewissheiten. Gedichte und Text-Collagen, feinnervig formuliert, im Grundton diffusen Unbehagens mit rasant wechselnden Perspektiven im Kontext deutscher Geschichte und Befindlichkeiten, universeller, urbaner und provinzieller Verhältnisse.“ So der Klappentexttrailer für den 2020 erschienenen, zehn lyrische Zyklen auf 132 Seiten fassenden Band, ausgestattet mit einigen Vignetten von Mario Hamborg, der auch für den überaus ansprechenden, zeitlosen wie das Leser-Auge auch behutsam wie sanft zwingend mitnehmenden Cover-Entwurf verantwortlich zeichnet. 

Das Unbehagen, das Steinbrücks Dichtung seinerzeit noch als sie diffus wahrnehmend beschreibt, ist mittlerweile klar und deutlich geworden, es kanalisieren sich machen sich die inneren und angesichts des anstehenden, ja, sich vollziehenden Epochenbruchs, an dem wir stehen, mehr noch die äußeren Zerreißproben offenbar. Und es ist das Verdienst dieser Texte, in den Vorgewittern dieser Ereig- und Schrecknisse bereits einen Ton dafür gefunden zu haben, der der Dichtung nun zur Verfügung steht. Steinbrück beschreibt das Aus-den-Fugen-Geraten, auch den Zweikampf, der unterschiedlicher Erfahrung und damit Sichtung zugrunde liegt, die in der jüngeren deutschen Geschichte triftig rezipierbar abgelegt ist und etwas Grundsätzliches über das Menschenwesen in sich zu tragen scheint, trotz 300 Jahren Aufklärung, und letztlich ... aufs Globale umlegbar ist. 

In seiner Wahlheimat Berlin hat der 1972 geborene Bremer Lutz Steinbrück, der mit den Haltlosen Zuständen seinen insgesamt dritten Lyrikband vorlegte und auch als Musiker reüssiert, mit großer Sicherheit das idealtypische Studien-Objekt für seine Sichtungen, Erkundungen, Feststellungen und Deutungen gefunden. Steinbrücks Verse und Fließtexte sind Großstadtlyrik par excellence, und das lange geteilte Berlin ein Symbol für Zerrissenheit, auch Hybris und die sich einschleichende Haltlosigkeit bei immerwährender Chance, dass sich doch noch alles zum Besseren wenden möge. Auch das Individuum ist dabei sichtbar, zuweilen als Mahner, zuweilen ameisengroß im Gewimmel, das sich aus Betonblöcken und Kleingärten zusammensetzt. Ja, und Verlorenheit spielt eine Rolle, die auch im Fortschreiten der Jahre sich begründet, im sezierenden, fragenden Auge des Dichters. 

„Ich ist ein Säugetier“, so heißt es an einer essentiellen Stelle des Buches, in einem der hinteren, persönlichen Zyklen, der Intimes Archiv heißt. Trotz dieser Zuweisung und mithin Verdammtheit wachsen ihm am Ende des Textes „Flügel aus dem Kopf“. Somit besteht wie ja auch jedes noch geschriebene und gesprochene Wort im Gedicht der Wunsch nach dem Beginn eines Gesprächs ist und bleiben wird auch forthin Hoffnung. Die Dichtung von Lutz Steinbrück ist das eine wie das andere auf jeden Fall: Auf der Höhe der Zeit punktiert sein Insistieren, ausgehend von den am Buch-Beginn programmatischen Textblöcken über die urbanen Exegesen und den Texten ums Ich (auf der Suche nach einem Wir) und landet ganz am Ende bei Zuständen, die aus der Geschichte in die Gegenwart übersetzten, flankiert von der Gier, die Sesshaftigkeit und Patriarchat in sich tragen:

Am Beispiel von Walther Rathenaus Von kommenden Dingen, aus dem das Schlussgedicht zitiert, lugen der Krieg und die erschrockene Stille in den Band hinein: „die keimenden Schollen der Oder / ziehen in dichten Verbänden mit dem Strom / die Stille des Vorwurfs nach den tödlichen Schüssen / ein friedliches Weiß das den Horizont lichtet“. Davor, dazwischen und aus der Sicht dessen, was wir heute wissen, auch danach spannt sich das Leben auf, ins Kleine wie ins Große gespiegelt, um das es sich lohnt zu ringen und gegen die haltlosen Zustände anzugehen. Nun, einen brisanten und lakonischen, unsentimentalen und nachhakenden Dichter hat man Lutz Steinbrück genannt. Sein Buch steht auch für die Seismik lyrischer Erkundungbei gleichzeitigem Bestehen auf Würde, Integrität ... in Zeiten wie diesen ist das elementar. (Lutz Steinbrück: Haltlose Zustände, Gedichte. Berlin: Klak-Verlag 2020, Klappenbroschur, 132 Seiten m. Abb., ISBN 978-3-948156-34-3, 15 Euro.)

(André Schinkel)

So, 30.04.2023

Den Einband der neuen Gedichtsammlung Andreas Altmanns gestaltete Franziska Neubert (Leipzig).
Der Dichter Andreas Altmann wurde im sächsischen Hainichen 1963 geboren und lebt heute in Berlin.

Buch des Monats: Neue Gedichte von Andreas Altmann

Im Chor der Gegenwartslyrik ist die Stimme des 1963 in Hainichen geborenen und seit langem in Berlin lebenden Dichters und Herausgebers Andreas Altmann eine der beständigsten und bei aller Ruhe und Unaufgeregtheit des Sprechens durchdringendsten und bedeutendsten Arten der möglichen Verlautbarung und Kennzeichnung dessen, was an Sprache und Wahrnehmung möglich ist. Der vielfach Geehrte ist dabei ein Sprechender auf dem Rückzug: Seine Äußerung sucht sich mittlerweile zusätzliche und noch stillere Wege. So baut Altmann an einem Refugiumssort außerhalb der Hauptstadt, die seinen zentralen Wirkkreis markiert, seit einigen Jahren an einer langkettigen Reihe von Fabelhäusern, wie er sie selbst nennt. Sein neuer Gedichtband enthält in seiner Mitte, fotografiert von Wolfgang Jaros, eine Auswahl der kleinen Häuser der schlafenden Gedichte, wie ein weiterer Titel der Serie sein könnte, und schließt damit zugleich einen Kreis.

Zum einen führen die kleinen Kunstwerke ihn zurück in die Kinder- und Jugendzeit in seine Geburtsstadt Hainichen, sie kommunizieren, in einer Schreibpause aufkommend und beibehalten, mit seinem dichterischen Werk und haben mittlerweile in doch einigen Hundertschaften in die Welt gefunden. Und schließlich, in das Konzept seines neuesten Lyrikbuchs Von beiden Seiten der Tür (auch der Titel spricht mit dem Motiv wie der Grenze des Behaustseins), das Altmann seinem Enkel widmet, verfügt, sprechen sie auch symbolisch und konkret in einem in die Zukunft. Dieses Buch, im Leipziger Poetenladen-Verlag erschienen, ist wieder eine bibliophile Kostbarkeit, die letztlich vorführt, wie schön ein regulär verlegtes Buch auch heute noch sein kann: Hardcover mit Schutzumschlag, andersfarbige Kapiteltitel, sorgfältiger Satz, zärtlich-robuste Bindung, der Einband gestaltet von der wunderbaren Leipziger Grafikerin und augen:falterin Franziska Neubert.

Auch die Textteile des Buches, eingefasst von prignitzgrünen Vorsatzpapieren und dem das Gesamt umgreifenden Prä- und Postludium tür ein und tür aus, greifen hier im Werk des als Dichter der Landschaftlichen und Hinterlassenen Gerühmten wieder und wieder auf Haus-Motivik und -Metaphorik zurück. Eingänge, Ausgänge, das Elternhaus, ein See-, ein Wasser-, ein Traumhaus treten auf, die Frage Was bin ich für ein Mensch? spielt eine tragende Rolle. Die Einkehr des stillen Sprechers dieser Verse ist auch eine Art von wägender Bilanz, die hohe Blickens-Kunst Andreas Altmanns gewinnt dadurch, auch im Nachspiegel der beiden vorangegangenen Bände, eine weitere, den gedimmten Reichtum dieses tief in der Natur wurzelnden Redens noch einmal erweiternde Dimension. Von beiden Seiten der Tür (Poetenladen 2023, 104 Seiten, ISBN 978-3-94830-517-8, 19,80 Euro), ein Buch, das man mit sich, als Fabelbuch quasi, herumtragen möchte ... nein: muss.

(André Schinkel)

Mi, 23.03.2022

© Ulrike Stoltz

Resonanzen & Gestrüpp

Als Buch des Monats stellt die renommierte Buchkünstlerin und Typografin Ulrike Stoltz im Klingspor Museum ihr Künstlerbuch „Caro Giordano. Resonanzen & Gestrüpp“ vor, welches 2020/21 im Rahmen des Künstlerbuchpreises der Herzog-August-Bibliothek entstand.
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähert sich die Künstlerin dem Leben und Werk des italienischen Renaissance-Philosophen und Astronomen Giordano Bruno. Dabei recherchiert sie nicht nur die historischen Fakten und deren wissenschaftliche Aufarbeitung, sondern beschreibt auch ihre ganz persönliche Beziehung zu Bruno. Bei dieser Arbeit stößt sie auf Resonanzen oder verirrt sich im Gestrüpp – Erfahrungen, die in der künstlerischen Umsetzung sichtbar werden und sich in vielfältigen Verknüpfungen zwischen Kunst, Philosophie und Spiritualität niederschlagen.

1. April 2022, 18 Uhr, Anmeldung erforderlich

Klingspor Museum
Herrnstr. 80, 63065 Offenbach

Fr, 28.01.2022

© Simon Malz

Demokratie im Kinderbuch

Tiere, fantastische Wesen, Menschen oder Pflanzen – in bunter Vielfalt findet sich eine Auswahl an Gestalten im Kinderbuch wieder, die das Aufwachsen von Kindern begleiten. Daneben findet im Bilderbuch eine Vermittlung von Werten und Ideen statt, die Erwachsene für Kinder wichtig und richtig finden. Das Kinderbuch ist damit ein sehr gutes Abbild für das, was eine Gesellschaft gerade als Konsens erachtet, und neue Ideen und Diskurse bilden sich dort rasend schnell ab. Seit einigen Jahren finden zunehmend auch politische Themen Eingang in das Angebot aktueller Kinderbücher und das Bedürfnis nach Demokratieerziehung schlägt sich in Titeln wie ‚Im Dschungel wird gewählt‘, ‚Die Bestimmer‘ oder ‚Die Stimme der Frauen‘ nieder. Dr. Dorothee Ader stellt für das Buch des Monats im Februar aktuelle Titel zum Thema zusammen und spricht über das Thema Demokratie im Kinderbuch.

Buch des Monats: 4. Februar 2022 14 Uhr

Fr, 07.01.2022

© Andrea Wunderlich

JEAN PAUL und die Kalligraphie

Jean Paul, der bedeutende Dichter der Romantik, im Kontext mit der Schriftkunst war zentrales Thema des Projektes Europa Scriptorium 2012, und wurde anlässlich von Jean Pauls 250. Geburtstag aufgegriffen. Federführend für Konzept und Organisation war dabei die Kalligrafie-Künstlerin Andrea Wunderlich, die ebenfalls in der fränkischen Heimat des Dichters zuhause ist.

Weitere namhafte europäische Schriftkünstler waren eingeladen, sich intensiv mit Jean Pauls literarischen Texten zu beschäftigen: außergewöhnliche Kunstwerke entstanden dazu.

Helga Horschig möchte damit die neue Buch-des-Monats-Jahresrunde beginnen und dieses Projekt, Marginalien zu Jean Paul und vor allem Andrea Wunderlichs Arbeiten dazu vorstellen.

14. Januar 2021, 16 Uhr

Klingspor-Museum
Herrnstraße 80, 63065 Offenbach

Mo, 25.10.2021

Buch u. Foto: T. Leonhardt

Tanja Leonhardt - In Norwegen von Zaunwinden reden 

Als Buch des Monats November stellt das Klingspor-Museum einen Titel von Tanja Leonhardt vor, die vor gut zwei Wochen Gast bei der Berlin-Brandenburger Regionalgruppe der Pirckheimer-Gesellschaft war.

Seit zwei Jahren experimentiert die Schrift- und Buchkünstlerin Tanja Leonhardt mit der Technik des Naturdruckens (Eco-Dyeing). Das Papier wird hierbei gebeizt und zu druckende Pflanzenteile eingelegt. Dieses Bündel wird längere Zeit unter Druck und Zugabe weiterer färbender Substanzen gekocht. 
Nach dem Abkühlen werden die Papiere gewässert und getrocknet. Auch Buchbinderleinen, Heftfaden und Kapitalbändchen werden mit gefärbt. Jede Färbeprozedur erzeugt eigene Resultate, je nach Beschaffenheit des Papiers, der Ingredienzien und Pflanzen. So entsteht aus den Elementen eines Färbedurchgangs stets nur ein einziges, in sich logisches und zusammengehöriges Unikat-Buch. 
Einige Bücher sind handschriftlich mit Naturlyrik versehen, andere warten noch auf ihren Text. Die Materialien selbst erzählen jedoch schon komplexe Geschichten, wie das Orkney-Leinen, das ein Jahr lang im Gezeiten des Atlantiks ausgesetzt war oder die Schieferbücher, bei denen über 100 Jahre alte Dachschindeln das Wort ergreifen. 

5. November 2021, ab 14 Uhr 

Klingspor Museum
Herrnstr. 80, 63065 Offenbach