»Verpflichtung zu unerbittlicher Wahrhaftigkeit« - Gottfried Benn - ein großer Dichter und eine problematische Person der Zeitgeschichte

Vortrag

Ein großer Dichter und eine problematische Person der Zeitgeschichte, so lautete das mit Spannung erwartete Thema zum Gottfried-Benn-Abend der Berlin-Brandenburger Pirckheimer am 19. Mai im Kleinen Säulensaal der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Prof. Klaus Völker, vielen bekannt als Theaterfachmann und den Berliner Pirckheimern noch gut durch seinen Vortrag zu Max Herrmann-Neiße im Vorjahr in Erinnerung, hatte sich auch diesmal gründlich mit dieser Dichterpersönlichkeit auseinandergesetzt. Anlass dazu boten der 130. Geburtstag und 60. Todestag in diesem Jahr (1886–1956).

Klaus Völker, kein Benn-Spezialist, wie er betonte, ist ihm aber zumindest geografisch nahe: Er wohnt im Bayerischen Viertel nah beim Rathaus Schöneberg und damit nicht weit von Benns letzter langjähriger Wohnung in der Bozener Straße 20. Ob er auch Benns frühere Stammkneipe besucht, ist mir nicht bekannt, wohl aber, dass er häufig am Bücherstand von Hans-Jürgen Wilke vorbeischaut, der diesen spannenden Abend moderierte und eingangs auch die von ihm publizierte Neuauflage von Benns Garten mit elf Holzschnitten von Conrad Felixmüller vorstellte, erstmals 1976 herausgegeben von dem Arzt und Benn-Biografen Werner Rübe (1921–2006). Sein Sohn, Christian Rübe, war anlässlich der Neuherausgabe aus Saarbrücken angereist, um am Benn-Abend teilzunehmen und voll bibliophiler Begeisterung in die Pirckheimer-Gesellschaft einzutreten.

Und da man sich im Schöneberger Kiez kennt, durfte an diesem Pirckheimer-Abend zu Ehren Gottfried Benns auch Ursula Ziebarth nicht fehlen, die mit Benn zuletzt befreundet war und noch heute nicht weit entfernt von dessen Wohnung lebt. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 94 Jahren ließ sie es sich nicht nehmen, zum Vortrag zu kommen und am Ende mitzudiskutieren. Erinnert sei an die von ihr ermöglichte Veröffentlichung von 252 Briefen, die Benn an sie von 1954 bis 1956 gerichtet hatte, die, mit Nachschriften von ihr versehen, 2001 unter dem Titel Hernach im Wallstein-Verlag erschienen und heute noch einen rührenden Eindruck vermitteln, wie sich der Patriarch Benn fürsorglich-zärtlich um seine jugendliche Muse sorgte.

Den kenntnisreichen und konzentrierten Vortrag bereicherte Klaus Völker zuletzt noch mit der Rezitation einiger Gedichte, was den Abend wohltuend abrundete. Mit herzlichem Applaus und mit einem Felixmüller-Holzschnitt aus Benns Garten, von Hans-Jürgen Wilke gespendet, bedankten sich die über 50 anwesenden Mitglieder und Gäste. Die Pirckheimer würden sich freuen, wenn sie im kommenden Jahr zum 100. Geburtstag von Johannes Bobrowski einen ebenso würdevollen Vortrag von Klaus Völker hören dürften, zumal er als Vorsitzender der Bobrowski-Gesellschaft hierfür wie kein anderer berufen ist.

Auszug aus dem Beitrag von Rüdiger Schütz in den Marginalien H. 222

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