Der große Typograf und vielfach national und international geehrte Schrift-Erfinder, Buch- und Plakatgestalter Gert Wunderlich (1933–2023), der zu den prägendsten Gestalten der Leipziger Typografen-Schule gehört, ist tot. Er starb, wie seine Tochter Sylke Wunderlich mitteilt, am 15. August. Wunderlich, der bereits 1979 mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet wurde, studierte an der HGB (Hochschule für Grafik und Buchkunst) Leipzig unter anderem bei Wolfgang Mattheuer und Albert Kapr. Nach einer Tätigkeit als Buchgestalter in Erfurt und Sekretär der Internationalen Buchkunst-Ausstellung in Leipzig kehrte 1966 für eine Aspirantur bei Kapr an seine Alma mater zurück, an der nach Stationen als Dozent, Assistent und Oberassistent schließlich die Professur für Buchgestaltung und Gebrauchsgrafik übernahm und die Klasse für Typografie/Buchgestaltung/Plakat leitete. Als renommierter Gestalter und Typograf kuratierte er in diversen Gremien die Schönsten Bücher aus der DDR, Schönste Bücher aus aller Welt sowie weitere Wettbewerbe und internationale Biennalen. Vielfach wurden Wunderlich Dozenturen, Professuren und Kuratoriumsmitgliedschaften im Ausland (Polen, China, Finnland ...) angetragen.
Zentrum seiner Arbeit blieb stets Leipzig. Einen Namen machte er sich als Erfinder und Gestalter diverser Schriften, von denen sich vor allem die erstmals 1963/1964 entworfene und in zahlreichen Varianten in über siebzig Schriftsystemen weltweit verwendbare Maxima als großer Erfolg herausstellte. Die Groteskschriften der Maxima-Familie waren zeitweise einer der meistverwendeten Schriftfamilien überhaupt, sie finden bis heute Anwendung und weiteste Verbreitung im täglichen Leben (Bahnhofsbeschilderungen etwa, in der Minima-Variante auch in Telefonbüchern und vielfältigen anderen Publikationen); in der DDR waren die zahlreichen Varianten der Maxima die häufigste Schriftart in der Öffentlichkeit. Bis heute findet sie in nahezu allen Publikationsgenres Anwendung und wird beständig weiterentwickelt. 2006 wurde sie unter dem Namen Maxima Now redesignt. Sie ist in zahlreichen lateinischen, kyrillischen und griechischen Schriftschnitten samt Sonderzeichen und Medievalziffern verfügbar, wird in insgesamt 80 Sprachräumen verwendet.
Gert Wunderlich reüssierte zudem als Plakatkünstler von hohen Gnaden. Seine Plakatkunst gelangte bis nach Japan. Angeregt durch ihre Tochter, begannen diese, er und seine Frau Sonja Wunderlich, mit der er vielfach zusammenarbeitete, zudem mit dem Aufbau einer Sammlung von Emaille-Schildern, die es als Spielart der Gebrauchsgrafik vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu großer Verbreitung brachten. Teile der Kollektion, die bis dato etwa 700 Objekte umfasst, waren 2021 in einer Ausstellung im Leipziger Grassi-Museum unter dem sprechenden Titel Von der Blechpest zur Sammelleidenschaft zu sehen. Nicht zuletzt und vor allem aber auch wird Gert Wunderlich als einzigartiger Buchkünstler und -gestalter in Erinnerung bleiben, worauf Pirckheimer-Freund und Vorstandschef des Leipziger Bibliophilen-Abends, Dr. Thomas Glöß, in einem Nachruf verweist. Wunderlich, dessen von ihm gestaltete Bücher Legion sind und zugleich Ausweis eines expressiven, zugleich fürsorglichen und dem Gegenstand dienlichen Umgangs mit Text und Grafik, war Ehrenmitglied des LBA und wird auch auf diese Weise unvergessen sein.
(André Schinkel)