Auf diesem Buch machte sich, wenn das nicht schnöde wäre, ein Aufkleber mit dem Hinweis „Explicit Lyrics“ nicht schlecht – denn der Doppelzeiler „Der Krebs krebst meist so vor sich hin, / empfindet Sex als Widersinn“ ist noch eines der harmloseren Beispiele der „versaut-poetischen Sterndeutungen“ von Frank Schulz, das unter dem schon keine Fragen mehr offen lassenden Titel Sternzeichen-Fick-Info als originalgrafisches Buch mit dreizehn zweifarbigen Holzschnitten von Jürgen Meyer Jurkowski in der Edition M & M desselben soeben erschien.
Im seligen Gründungsjahr 1998 ist die Edition M & M mit dem Vorsatz angetreten, jedes Jahr ein originalgrafisches Buch herauszugeben. Dass es in 24 Jahren nur sieben Bücher von sechs Autoren geworden sind, lässt sich unter „gelebte Langsamkeit“ abhaken. Selbstironisch und realitätsnah heißt Jürgen Meyer Jurkowskis (JMJ) Devise heute: "Keine neuen Bücher, bevor die alten nicht verkauft sind!" Aber nun ja, nix gilt ewig. In Abweichung von dieser ‚Maxime‘ ist nach mehrjähriger Enthaltsamkeit wieder eine Neuerscheinung der Edition zu vermelden.
Diesmal hat sich JMJ zwei lyrische Texte des bekannten Romanautors Frank Schulz (Das Ouzo-Orakel, die Onno-Viets-Romane) ausgesucht. Schon der Haupttitel Sternzeichen-Fick-Info kennt augenscheinlich keine Euphemismen und gibt unmissverständlich an, worum es geht: Um Sex, Erotik, Lust und Triebe. „Der Reiz“, so Meyer Jurkowski, „sich mit besagtem Thema künstlerisch auseinanderzusetzen, ist ungebrochen und unerschöpflich. Nach wie vor hat die ‚normalste Sache der Welt‘ einen hohen Tabuisierungsgrad und großes Erregungspotential.“ Moralapostel und Freigeister stehen sich da seit Äonen unversöhnlich gegenüber. Besonders in Zeiten von Hypermoral und Political Correctness mit ihrer zunehmenden Verbots-Kultur werden Künstler ganz schnell mit der Frage nach der Korrektheit ihres Tuns konfrontiert.
Das 38-seitige Buch ist dabei als eine klare Antwort zum oben angesprochenen Problem gemeint; und es ist zugleich ein Statement für die Freiheit der Kunst: Ein „Du-darfst“ von – so JMJ – dubiosen „Saubermännern und -frauen“ kann es nicht geben. „Kunst braucht keine Erlaubnis. Was sie braucht, ist der gepflegte Tabubruch. Die Fick-Info erfüllt das Tabubruch-Postulat auf poetische Weise und darf als ein Akt gegen eine moralinsaure sprachliche Zensur interpretiert werden.“ Bildende Künstler wie Cranach, Rubens, Rembrandt, Beardsley, Courbet, Picasso, Dalí, Schiele, Zille u. v. a. haben gewagte, freizügige Bilder geschaffen. Skandale, Verbote, empörtes Geschrei gab es dabei nahezu immer.
Sprich: Frank Schulz und JMJ befinden sich literatur- und kunsthistorisch in guter Gesellschaft. Die frühen Japaner und Chinesen, die alten Ägypter, die Griechen und Römer der Antike erotisierten in Text und Bild auf höchstem Niveau. Über die Jahrhunderte bis in die Gegenwart wurde zum Thema weitergedichtet, -gemalt, -fotografiert, -gefilmt. Aber worum geht es bei Schulz’ Text? Er wählt die Form des Horoskops und „untersucht“ in zwei Gedichten die Frage, was die Sterne über die sexuellen Eigenschaften, Macken und, nun, Leistungen der Männer orakeln. Dabei deutet er die Gestirne zunächst in 13 sauber gereimten Strophen aus der Sicht Von Girls für Girls. Eine ganz andere Perspektive bietet dann das finale einstrophige Kurzgedicht Von Boys für Boys.
JMJ weiter: „Schulz dichtet drastisch versaut und wild drauflos. Das ist selbstironisch, voller Witz, ist pure Lust an sprachlicher Grenzüberschreitung – ein Schuss Dada, ein Schluck Reeperbahn, viel Volksmund." Meyer Jurkowskis Holzschnitte sind derweil nicht minder liederlich und ironisch, auch wenn er auf die Darstellung des Menschen beim Geschlechtsakt völlig verzichtet. Seine Illustrationen haben keine in Bilder umgesetzten Textbezüge, sondern sie sind frei am Gesamtthema orientierte Bildfindungen.
Herausgekommen ist ein kraftvolles, zeichenhaftes Formenspiel mit Details der ‚Sexualspielzeuge“ des Homo eroticus. Und das Handwerkliche? Passend zum Thema: expressive Farbgebung in Schwarz und Rot für hervorgehobene Textteile und als Zweitfarbe der Holzschnitte, Schleipen-Werkdruckpapier, Vor- und Nachsatz in Rot, Bezugs-Gewebe mit Deckelprägung. Die Buchbinderei Zwang hat alles zueinandergefügt. Zu perfekt? Auf keinen Fall. Das ist der Anspruch von M & M: „Nur so wird’s ‚Erotic Art‘: Honi soit qui mal y pense.“ Dem ist wohl nichts weiter hinzuzufügen. Mit einem Schutzumschlag von Klaus Raasch gehüllt, sind 20 Verkaufsexemplare für einen Preis von 560 Euro erhältlich. Kontakt: jmj.meyer@gmx.de. Man beeile sich.
Frank Schulz: Sternzeichen-Fick-Info
Mit 13 zweifarbigen Holzschnitten
von Jürgen Meyer Jurkowski
38 Seiten, Gewebeeinband mit SchU
25 Exemplare, 20 für den Verkauf
Hamburg: Edition M & M, 560 Euro
(André Schinkel/Pressemitteilung)