Thomas Schmid schreibt auf welt.de unter der Überschrift Schmerzhafter Abschied einen Abgesang an die private Bibliothek: "Die Bücherwand in den eigenen vier Wänden ist eine bürgerliche Kopie der barocken Kloster- und der Universitätsbibliotheken. Auch deswegen hat sie eine edle Anmutung. In ihrer Mischung aus Lieblingsautoren, Muss-Autoren, entlegenen, verrückten, abseitigen und auch ganz schlechten Autoren bilden die in den Bücherregalen aufgereihten Bücher den windungs- und sackgassenreichen Bildungsweg ihres Besitzers ab. ...
Man will aber irgendwann nicht mehr im Museum seiner geistigen Entwicklung leben. Es hat auch etwas Verkrampftes, alle Lesemöglichkeiten zu bewahren. Und etwas leicht Anmaßendes. Denn man läuft stets Gefahr, sich in Gestalt seiner Bibliothek mit vielen fremden Federn zu schmücken und sich selbst eine gleiche Augenhöhe mit großen Autoren zu suggerieren. Auch verkleinert sich von Tag zu Tag die verbliebene Lesezeit. ..."
Dieser Artikel erinnert mich an die Frage an einen Briefmarkensammler, ob er die ganze Sammlung von Marken brauche, denn er würde doch nie so viele Briefe schreiben, wie er Briefmarken hat.
Ein Buch ist für einen Sammler und Bücherliebhaber eben mehr als ein Gegenstand, den man als Erinnerung an vergangene Zeiten aufhebt, wie z.B. das nicht mehr benötigte Hochzeitskleid. Als Sammler entwickelt man eine besondere Beziehung zu den Objekten seiner Sammlung, weshalb ich z.B. viele textlich identische Bücher in meiner Sammlung habe, die aber von der Illustration, Auflagenhöhe, Erscheinungsdatum, der Bindung, des Einbands, ja sogar von der Art des Erwerbs und Anderem eine gewisse Bedeutung haben. Und darin unterscheidet sich eine private Sammlung von einer öffentlichen Bibliothek oder einem Klosterarchiv - diese meine Sammlung ist mir und nur mir wichtig, im besten Fall nur noch gleich Interessierten oder Gleichgesinnten, wie ich sie in der Pirckheimer-Gesellschaft finde.
Thomas Schmid folgt für mich mit dieser oberflächlichen und, durch die Einführung von willkürlichen Kategorien als wissenschaftlich getarnten Betrachtung einem Trend, der einfach mal modern und bequem ist, letztlich aber nur von einem Unverständnis von Kultur zeugt.
(ad)
1 Kommentar: Ja, sehe ich ähnlich. Wirkt auf mich sehr oberflächlich, da es sich nur auf Bücher im Verhältnis zum Bildungsbürgertum bezieht und nicht auf soetwas wie Bibliomanie. Natürlich kann die Anhäufung von Besitz lästig sein. Das gilt aber für jeden Bereich: Schmuck, Schuhe, Autos, Smartphones, Betriebssysteme. Für älter werdende Bildungsbürger mag das zutreffen, für echte Sammler nicht.
4.7.2017 - Hartmut Andryczuk